Gerichtliche Entscheidung während einer Verfahrensunterbrechung ist nichtig
Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung sind Verfahrenshandlungen einer Partei grundsätzlich unwirksam und entsprechende Gerichtshandlungen unzulässig. Wird in Missachtung der Unterbrechungswirkung eine Entscheidung gefällt, so wird Nichtigkeit begründet.
Die Klägerin (Patientin) wurde im Krankenhaus der Nebenintervenientin (Krankenanstalt) operiert. Im Vorverfahren begehrte die Klägerin von der Nebenintervenientin Schadenersatz; dieses Begehren wurde rechtskräftig abgewiesen. Wegen eines neuen Befundergebnisses brachte die Klägerin zum Vorverfahren eine Wiederaufnahmsklage ein; dieses Verfahren ist derzeit anhängig.
Im hier vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin vom Beklagten, der im Vorverfahren als gerichtlicher Sachverständiger fungierte, Schadenersatz. Der Beklagte (Sachverständige) verkündete der Krankenanstalt den Streit. Die Klägerin sprach sich gegen die Zulassung der Nebenintervention aus.
Das Erstgericht ließ – mit in der Verhandlung verkündetem und schriftlich ausgefertigtem Beschluss – den Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten zu. Gleichzeitig unterbrach das Erstgericht das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Wiederaufnahmeverfahrens. Damit erklärten sich die Parteien und die Nebenintervenientin einverstanden.
Das Rekursgericht gab dem – nur die Zulassung der Nebenintervention betreffenden – Rekurs der Klägerin Folge und wies den Beitritt der Nebenintervenientin zurück. Über die Nebenintervention könne trotz der Unterbrechung des Verfahrens entschieden werden, weil es sich dabei um ein von der Unterbrechungswirkung nicht betroffenes „Nebenverfahren“ handle.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Nebenintervenientin statt und hob den Beschluss des Rekursgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf; zudem wurden der Rekurs der Klägerin (gegen die Entscheidung des Erstgerichts) und die Rekursbeantwortung der Nebenintervenientin zurückgewiesen.
Das Höchstgericht führte dazu aus: Der Unterbrechungsbeschluss wurde (spätestens) mit der Zustellung den Parteien gegenüber wirksam. Zum Zeitpunkt der Erhebung des Rekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Erstgerichts auf Zulassung der Nebenintervention war das Verfahren somit bereits unterbrochen. Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung sind Verfahrenshandlungen einer Partei, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung tragen, unwirksam; entsprechende Gerichtshandlungen sind unzulässig; insbesondere dürfen auch keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Eine Ausnahme besteht nur für „Nebenverfahren“, in denen über Gebühren- und Kostenansprüche Dritter (zB Sachverständigengebühren; Kosten eines Kurators) oder über Verfahrenshilfeanträge entschieden wird.
Eine trotz eingetretener Unterbrechungswirkung (und damit unzulässigerweise) gefällte Entscheidung ist nichtig. Wird eine Entscheidung trotz eines gesetzlich angeordneten Verfahrensstillstands gefällt, so wird damit eine nicht bestehende Entscheidungskompetenz über die Streitsache in Anspruch genommen; dies ist einem Verstoß gegen § 477 Abs 1 Z 6 ZPO gleichwertig.