Gerichtliche Hinterlegung bei Vorhandensein eines Abwesenheitskurators
Wenn der unbekannte oder abwesende Gläubiger bereits einen Abwesenheitskurator mit entsprechendem Befugniskreis hat, muss der Hinterlegung der Schuld bei Gericht ein Anbieten der Zahlung an den Abwesenheitskurator vorangehen.
Eine deutsche Sparkasse schloss aus wirtschaftlichen Gründen ihre Zweigstelle in Vorarlberg. Dort hatte im Jahr 1992 ein Mann ein Überbringersparbuch mit Losungswort eröffnet, wobei als Erfüllungsort der Sitz der Zweigstelle vereinbart worden war. Der Sparkasse gelang es nicht, mit dem Mann zwecks Beendigung und Abwicklung der Geschäftsbeziehung Kontakt aufzunehmen.
Mit Beschluss vom 21. 11. 2017 bestellte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, an welches sich die Sparkasse mit einem Antrag auf Bestellung eines Kurators gewandt hatte, mit der Begründung, der Aufenthalt des Mannes sei unbekannt, einen Rechtsanwalt „zum Abwesenheitskurator […], der diese Person auf ihre Gefahr und Kosten vertreten wird, bis sie selbst auftritt oder eine bevollmächtigte Person namhaft macht“.
Die Sparkasse erklärte hierauf mit Schreiben an den Abwesenheitskurator vom 4. 12. 2017 mit Wirkung zum 15. 1. 2018 die ordentliche Kündigung der Geschäftsbeziehung mit dem Mann.
Am 29. 1. 2018 stellte die Antragstellerin beim Erstgericht einen Erlagsantrag nach § 1425 ABGB, worin sie die Ausfolgung des (von ihr gleichzeitig bei Gericht einbezahlten) Sparbuchguthabens von 264,86 EUR an den Mann oder einen anderen Inhaber des Überbringersparbuchs von dessen Vorlage, der Nennung des Losungswortes, einer Identitätsfeststellung und einer anschließenden Sparbuchentwertung abhängig macht.
Der Erlagsantrag blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass der Abwesenheitskurator berechtigt ist, innerhalb seines Wirkungskreises für den Vertretenen zu handeln. Enthält der Bestellungsbeschluss keine Einschränkung, so bezieht sich die Vertretungsbefugnis des Abwesenheitskurators auf sämtliche Angelegenheiten. Mangels Einschränkung obliegt dem Abwesenheitskurator auch die Vermögensverwaltung. Der Zahlung an den Abwesenheitskurator kommt, außer wenn der Schuldner die Kuratorbestellung erschlichen hat, schuldbefreiende Wirkung zu. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsanwalt ohne jede Einschränkung zum Abwesenheitskurator bestellt. Seine Vertretungsbefugnis umfasste damit auch die Vermögensverwaltung.
Der Oberste Gerichtshof verwies auf eine Vorentscheidung (6 Ob 105/08x), wonach die in § 1425 ABGB angeordnete Verständigung des Gläubigers von der Hinterlegung jedenfalls dann gegen eine sofortige gerichtliche Verwahrung spricht, wenn die Bestellung eines zur Entgegennahme des zu verwahrenden Gegenstands befugten Vertreters ein Vorgehen nach § 1425 ABGB von Vornherein vermieden hätte und keine besonderen Umstände vorliegen, die seine Bestellung unzumutbar machen. Im vorliegenden Fall wurde sogar bereits ein Abwesenheitskurator mit entsprechendem Befugniskreis bestellt. Zumal eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB kein Selbstzweck ist, muss jedenfalls dann, wenn der unbekannte oder abwesende Gläubiger bereits einen Abwesenheitskurator mit entsprechendem Befugniskreis hat, der Hinterlegung ein Anbieten der Zahlung an diesen vorangehen. Nur wenn dieser die Zahlung zurückweist, steht dem Schuldner frei, deshalb die Hinterlegung nach § 1425 ABGB zu beantragen.
Dem Argument der Sparkasse, dem Abwesenheitskurator die Auszahlung des Sparguthabens vorweg Zug um Zug gegen Vorlage des Sparbuchs und Nennung des Losungswortes anzubieten wäre ein sinnloser Formalakt, weil dieser das Überbringersparbuch nicht in Händen habe und ebensowenig das Losungswort kenne, hielt der Oberste Gerichtshof entgegen, dass die Sparkasse in erster Instanz solches nicht vorgebracht hatte. Im Übrigen lagen zwischen seiner Bestellung und dem Erlagsantrag mehr als zwei Monate, in welchen der Abwesenheitskurator erfolgreiche Nachforschungen getätigt haben könnte.