Getränkesteuer
Eine Gesetzesauslegung, wonach sehr geringe Erfolgsaussichten einem Ausschluss des Zahlungsaufschubs nicht entgegen stehen, ist vertretbar.
Der Kläger betreibt seit 1. 7. 2002 ein von seiner Mutter übernommenes Hotel. Am 2. 6. 2004 trat sie ihm sämtliche Ansprüche aus dem Getränkesteuerverfahren für den Zeitraum 1997 bis einschließlich Mai1999, „insoweit diese insbesondere zu Amtshaftungsansprüchen“ führten, ab. Die beklagte Partei hatte mit verschiedenen Bescheiden aus dem Jahr 1999 die Getränkesteuer bescheidmäßig festgesetzt. Die mit dem Antrag auf Zahlungsaufschub gemäß § 199 Abs 2 TLAO verbundenen Berufungen blieben erfolglos. Der Bürgermeister der Beklagten als Abgabenbehörde erster Instanz schloss ferner einen Zahlungsaufschub gemäß § 199 Abs 4 lit a TLAO aus. Der Gemeindevorstand als Abgabenbehörde zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidungen. Nach Ansicht beider Instanzen hatte eine Berufung offensichtlich keine hinreichende Erfolgsaussicht. Eine rückwirkende Aufhebung der Getränke- und Speiseeissteuerpflicht durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Diese Ansicht fußte auf einem diese Rechtsfrage erörternden Merkblatt des Amts der Tiroler Landesregierung vom April 1998. Die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde wies Vorstellungen gegen die Bescheide des Gemeindevorstands als unbegründet ab. Diese Bescheide hob der VwGH auf. In dem am 17. 5. 2001 ergangenen (ersten) Erkenntnis wurde u. a. ausgeführt, eine Berufung habe dann offensichtlich keine hinreichende Erfolgsaussicht, wenn die Aussichtslosigkeit für jede mit der Sache vertraut gemachte Person erkennbar sei. Weil die Frage nach der Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit zwei EU-Richtlinien Gegenstand eines Verfahrens auf Vorabentscheidung sei, könne eine Geltendmachung deren Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht nicht „offensichtlich“ aussichtslos sein. Auf Grund der VwGH-Erkenntnisse gab die Aufsichtsbehörde der Vorstellung der Mutter des Klägers mit Bescheid vom 22. 10. 2001 Folge und hob die angefochtenen Bescheide des Gemeindevorstands auf. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Gemeindevorstand) trug dem Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz auf, eine Berufungsvorentscheidung unter Berücksichtigung des Erkenntnisses der Aufsichtsbehörde zu erlassen. Die bereits im Dezember 1999 bzw im März 2000 im Exekutionsweg hereingebrachten Beträge von EUR 21.116,03 und EUR 11.757,38 wurden weder der Mutter des Klägers noch diesem rückerstattet.
Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz eines im Zeitraum vom 6. 12. 1999 bis 30. 8. 2004 entstandenen Zinsenschadens von insgesamt EUR 7.194,11 und die Zuerkennung von insgesamt 3.893,68 EUR an Verfahrenskosten. Er brachte im Wesentlichen vor, die beklagte Partei habe den in den Berufungen beantragten Zahlungsaufschub rechtswidrig und unvertretbar ausgeschlossen. Die Rechtsmittel seien keineswegs aussichtslos gewesen. Darüber hinaus weigere sich die beklagte Partei trotz der Erkenntnisse des VwGH, positive Zahlungsaufschubbescheide auszustellen und den rechtswidrig eingebrachten Betrag von insgesamt EUR 32.873,41 zurückzuzahlen. Nach Aufhebung der gemäß § 199 Abs 4 TLAO erlassenen Bescheide habe der Kläger gemäß § 63 VwGG einen Anspruch auf Folgenbeseitigung. Dieser sei in der Hauptsache (Kapitalrückzahlung) im Verwaltungsverfahren durchzusetzen; dort könne jedoch der Ersatz von Zinsen und Kosten nicht geltend gemacht werden.
Die beklagte Partei bestritt ein Verschulden an der allfälligen Unrichtigkeit erlassener Bescheide. Ihre Organe hätten sich an den überzeugenden Vorgaben im Merkblatt des Amts der Tiroler Landesregierung vom April 1998 orientiert. Mit einer rückwirkenden Aufhebung der Getränkesteuer durch den VwGH und einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit dieser Steuer sei nicht zu rechnen gewesen. Da die Steuer bereits eingebracht worden sei, könne ein Zahlungsaufschub nicht mehr gewährt werden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Folgenbeseitigung, weil eine Rückzahlung im Fall einer sonstigen Bereicherung des Abgabepflichtigen kraft Gesetzes nicht durchgeführt werden dürfe. Es sei von einer Überwälzung der Getränkesteuer vom Unternehmer auf die Konsumenten auszugehen. Der Klageanspruch sei überdies verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts in der Abweisung von EUR 5.617,41 samt 4 % Zinsen seit 16. 3. 2004 als Teilurteil, im Übrigen hob er die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Er verneinte eine Anspruchsverjährung. Eine Gesetzesauslegung, wonach sehr geringe Erfolgsaussichten einem Ausschluss des Zahlungsaufschubs nicht entgegen stehen, hielt er für vertretbar. Er teilte auch die Ansicht der beklagten Partei, dass eine Beurteilung der Getränkesteuer für Getränkeumsätze, bei denen das Dienstleistungselement gegenüber der bloßen Warenlieferung überwiege, als gemeinschaftsrechtswidrig durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht ernstlich zu befürchten gewesen sei. Deshalb hätten die Vorinstanzen den Anspruch auf Ersatz der Kosten im Verfahren auf Durchsetzung des Zahlungsaufschubs sowie der Kosten des Exekutionsverfahrens zutreffend abgewiesen. Die Gemeindeorgane hätten jedoch bei pflichtgemäßem Vorgehen nach Einlangen der Bescheide der Aufsichtsbehörde auf Grund der VwGH-Erkenntnisse unverzüglich über die Berufungen des Klägers gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide durch deren ersatzlose Behebung entscheiden müssen. Damit wäre auch der Ausschluss des Zahlungsaufschubs weggefallen. Danach wäre der Kläger bzw dessen Mutter berechtigt gewesen, sich auf die dem Abgabenpflichtigen ex lege zustehende aufschiebende Wirkung seiner Berufungen gegen die bekämpften Abgabenbescheide zu berufen und die umgehende Rückzahlung entrichteter Beträge nach § 188 Abs 1 TLAO zu verlangen. Nach den Umständen dieses Falls hätte jedoch eine Entscheidung über den Wegfall der erstinstanzlichen Bescheide und eine Rückerstattung der eingehobenen Beträge jedenfalls nicht vor dem 11. 11. 2001 ergehen müssen. Daher seien vorher eingetretene Vermögensnachteile nicht durch die (schuldhafte) Verweigerung der Rückerstattung verursacht worden. Gegenstand des weiteren Verfahrens seien somit noch die mit EUR 3.835,24 bezifferten Zinsen für den Zeitraum vom 12. 11. 2001 bis 30. 8. 2004 sowie Kosten für weitere Steuerberatungsleistungen von EUR 1.635,14, jeweils samt Zinsen. Im fortgesetzten Verfahren seien überdies Feststellungen zu weiteren, bisher übergangenen Einwendungen der beklagten Partei zu treffen.