Gewerberechtlicher Geschäftsführer haftet für Überschreitung der Gewerbeberechtigung
Der gewerberechtliche Geschäftsführer muss sicherstellen, dass die Grenzen der Gewerbeberechtigung nicht überschritten werden. Das Gebot der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung soll nach seinem Zweck sicherstellen, dass für die Ausübung des Gewerbes die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen und auf mangelnde Sachkunde zurückzuführende Gefahren vermieden werden. Dieses Gebot zur Gefahrenabwehr soll auch den Kunden vor Schäden schützen. Bei § 39 Abs 1 GewO in Verbindung mit den Strafnormen der Gewerbeordnung handelt es sich damit um ein Schutzgesetz. Demnach haftet der gewerberechtliche Geschäftsführer den Auftraggebern gegenüber zwar nicht für die Erfüllung von Verträgen, wohl aber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften.
Die Kläger sind Eigentümer eines Kleingartens in Wien. Im Jahr 2012 beauftragten sie die erstbeklagte GmbH mit dem Aushub einer Baugrube zur Errichtung eines Hauses. Aufgrund der Hanglage wären zur Abstützung der Baugrube Absicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Dies war auch für einen ungebildeten Unternehmer erkennbar. Für den Aushub waren statische Kenntnisse erforderlich. Die Erstbeklagte hätte derartige Arbeiten nicht ausführen dürfen, weil sie nur über die Gewerbeberechtigung als Deichgräber (Erdbewegung) verfügt. Der Zweitbeklagte ist der gewerberechtliche (und auch handelsrechtliche) Geschäftsführer der GmbH. Er hat die Gespräche auf der Baustelle persönlich geführt. Am 25. 10. 2012 kam es auf der Liegenschaft zu einer Hangrutschung, wodurch die Baugrube einstürzte.
Die Kläger begehrten Schadenersatz; zudem stellten sie ein Feststellungsbegehren in Bezug auf künftige Schäden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zu 2/3 statt und lastete den Klägern ein Mitverschulden von 1/3 an. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren gegenüber der GmbH zur Gänze statt und wies das Klagebegehren gegen den Zweitbeklagten ab.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Parteien teilweise Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichts (Haftung auch des Zweitbeklagten; Mitverschulden der Kläger zu 1/3) wieder her. Dazu führte das Höchstgericht aus:
Der Deichgräber (Erdbeweger) darf keine Erdarbeiten ausführen, für die statische Kenntnisse erforderlich sind. Der gewerberechtliche Geschäftsführer ist nach dem Gesetz (Gewerbeordnung) sowohl der Behörde als auch dem Gewerbeinhaber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Dazu zählt vor allem auch die Verantwortung für die unbefugte Ausübung eines anderen Gewerbes, also für die Überschreitung der Gewerbeberechtigung. Die in § 39 GewO normierte zivilrechtliche Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber dem Gewerbeinhaber ist auf geschädigte Dritte (Kunden) zu erstrecken.
§ 39 GewO ist ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB. Unbefugte, von der Gewerbeberechtigung nicht gedeckte Tätigkeiten, die ein fremdes Gewerbe betreffen, müssen unterbleiben. Dabei handelt es sich um eine konkrete Verhaltensanordnung, deren Verletzung verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist. Das Gebot der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung soll nach seinem klar erkennbaren Zweck sicherstellen, dass für die Ausübung des Gewerbes die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen und auf mangelnde Sachkunde zurückzuführende Gefahren vermieden werden. Das Gebot der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung dient damit der Gefahrenabwehr. § 39 Abs 1 GewO iVm den Strafnormen ist daher auch als Gefährdungsverbot zu verstehen. Das Gebot zur Gefahrenabwehr soll gerade den von der Gewerbeausübung unmittelbar Betroffenen, in der Regel also den Kunden vor Schäden schützen. § 39 GewO dient damit dem Schutz des Einzelnen und ist als drittschützende Bestimmung anzusehen.
Bei Verletzung eines Schutzgesetzes haftet der Beklagte für alle Nachteile, die bei Einhaltung des Schutzgesetzes nicht eingetreten wären. Hätte der Zweitbeklagte seine aus § 39 Abs 1 GewO resultierende Verpflichtungen eingehalten, so hätte der Aushub der Baugrube durch die Erstbeklagte unterbleiben müssen. In der Folge wäre ein befugter Gewerbeberechtigter (Baumeister) beigezogen worden, sodass die hier zu beurteilenden Schäden vermieden worden wären.