Gutgläubiger Verbrauch bei Erfüllung der Nachforschungspflicht durch den Arbeitnehmer
Der gute Glaube des Arbeitnehmers, der Überzahlungen erhält, wird ausgeschlossen, wenn er an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags zweifeln musste. Demgegenüber ist der Arbeitnehmer als gutgläubig anzusehen, wenn er seiner Nachforschungspflicht entspricht und sich beim Arbeitgeber über die Richtigkeit der Zahlungen erkundigt.
Die beklagte Arbeitnehmerin war viele Jahre als Hausbesorgerin tätig. Anfang 2011 wurde die von ihr betreute Liegenschaft von einer neuen Eigentümerin erworben. Die neue Arbeitgeberin ließ die Abrechnungen des Entgelts von einer Steuerberatungskanzlei vornehmen. Diese rechnete irrtümlich überhöhte Entgeltbeträge zugunsten der Arbeitnehmerin ab. Aus diesem Grund erhielt die Arbeitnehmerin Überzahlungen in Höhe von rund monatlich 830 EUR. Die Arbeitnehmerin wies die Hausverwalterin dreimal daraufhin, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zum früher bezahlten Entgelt erhalte und fragte, ob dies in Ordnung sei. Dabei wurde der Arbeitnehmerin stets zugesichert, dass die Entgeltzahlungen richtig seien.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Arbeitgeberin die Rückzahlung der monatlichen Überzahlungen.
Das Erstgericht wies das Rückzahlungsbegehren ab. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren hingegen statt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Arbeitnehmerin Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichts (Abweisung des Rückzahlungsbegehrens) wieder her. Dazu wurde ausgeführt:
Werden vom Arbeitgeber Entgeltzahlungen irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, so können sie vom Arbeitgeber zurückgefordert werden. Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer ist die Rückforderung ausgeschlossen. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags zweifeln musste. Da die Gutgläubigkeit vermutet wird, hat der rückfordernde Arbeitgeber die Unredlichkeit des Arbeitnehmers zu beweisen.
Im vorliegenden Fall musste die Arbeitnehmerin aufgrund der Höhe der Überzahlungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge haben, was sie auch tatsächlich hatte. Die Besonderheit des Anlassfalls liegt darin, dass die Arbeitnehmerin auf ihre Zweifel reagiert und bei der zuständigen Hausverwalterin dreimal nachgefragt hat. Aufgrund der wiederholten Zusicherungen, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, konnte die beklagte Arbeitnehmerin auf die Richtigkeit der Abrechnung und die höhere Entlohnung im Zusammenhang mit dem Wechsel der Arbeitgeberin vertrauen.
In dieser Situation ist die Arbeitnehmerin als gutgläubig anzusehen und der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers ausgeschlossen.