Haftung des Anlageberaters: Verschweigen von Innenprovisionen kann unter Umständen Schadenersatzpflicht begründen
Vertriebsprovisionen begründen die Gefahr eines Interessenkonflikts auf Seiten des Anlageberaters. Er hat daher den Anleger auf solche Provisionen hinzuweisen, wenn dieser damit nicht rechnen musste.
Die Klägerin zeichnete von 2004 bis 2006 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank Kommanditbeteiligungen an deutschen Kommanditgesellschaften („Holland-Fonds“). Sie verhandelte mit dem Berater über die Höhe des der Beklagten zufließenden Ausgabeaufschlags (Agio) und vereinbarte mit ihm eine Reduktion von 5 % auf 3,5 %. Unabhängig davon erhielt die Beklagte jedoch aufgrund einer Vertriebsvereinbarung mit dem Emittenten Provisionen zwischen 3 und 4,5 %. Darauf wurde die Klägerin nicht hingewiesen. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.
Die Klägerin erhielt in der Folge trotz negativen Geschäftserfolgs „Liquididätsausschüttungen“, die nicht durch einen Gewinn der Gesellschaften gedeckt waren. Daher ist sie aus gesellschaftsrechtlichen Gründen unter Umständen zur Rückzahlung verpflichtet. Hätte sie von dieser Gefahr gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.
Die Klägerin begehrt von der Bank Rückzahlung der von ihr angelegten Beträge Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an den Kommanditbeteiligungen. Weiters soll festgestellt werden, dass die Bank für alle zukünftigen Schäden der Klägerin (dh für allfällige weitere Rückzahlungspflichten) haftet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt, das Berufungsgericht wies das Feststellungsbegehren ab.
Der von beiden Seiten angerufene Oberste Gerichtshof wies das Klagebegehren zur Hälfte ab und hob die Entscheidungen im Übrigen auf, weil die Sache insofern noch nicht spruchreif war. Vertriebsprovisionen begründen die Gefahr eines Interessenkonflikts auf Seiten des Anlageberaters. Ein Anlageberater hat daher den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – etwa wegen der ohnehin erfolgten Verrechnung eines Ausgabeaufschlags durch den Berater – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision rechnen musste. Eine Verletzung dieser Pflicht begründet den Anspruch auf Ersatz des im Erwerb einer nicht gewünschten Anlage liegenden Schadens, wenn der Berater nicht nachweist, dass der Erwerb der Anlage mangels Vorliegens einer Interessenkollision nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht. Die letztgenannte Frage ist im fortgesetzten Verfahren zu prüfen.
Unabhängig von den Ergebnissen des fortgesetzten Verfahrens trifft die Klägerin aber ein gleichteiliges Mitverschulden, weil sie – als wirtschaftlich erfahrene Anlegerin – Risikohinweise nicht gelesen und so auch selbst eine Ursache für den Erwerb der nicht gewünschten Beteiligungen gesetzt hatte. Daher war ihr Begehren schon jedenfalls zur Hälfte abzuweisen, ohne dass insofern eine Ergänzung des Verfahrens notwendig gewesen wäre.
Abgesehen von den genannten Punkten enthält die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auch Aussagen zu weiteren Fragen der Haftung des Anlageberaters (ua Verjährung, Beweislast für Beratungsfehler, Verzinsung des Ersatzanspruchs).