Haftung des Wahlleiters für eine Wahlwiederholung
Gegenstand der Organhaftung ist das Einstehenmüssen für Schäden, die dem Rechtsträger durch die Verletzung der Dienstpflichten des Organs entstanden sind. Der Schutzzweck der Norm bedeutet im Zusammenhang mit der Organhaftung, dass Sinn der verletzten Norm gewesen sein muss, die Schädigung jener öffentlichen Interessen zu vermeiden, die das Organ für den Rechtsträger in seinem Zuständigkeitsbereich zu schützen hat. Aufgabe des Wahlleiter(-stellvertreters) ist es, für die Einhaltung der Wahlrechtsbestimmungen, darunter auch § 14a BpräsWG, zu sorgen. Werden diese Pflichten nicht erfüllt und entsteht dem Rechtsträger, für den das Organ tätig wurde, ein unmittelbarer Schaden dadurch, dass die Wahl wiederholt werden muss, ist auch der Schutzzweck der Norm zu bejahen.
Der Beklagte war als Wahlleiterstellvertreter für die Auszählung unter anderem der Wahlkarten bei der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten 2016 in seinem Stimmbezirk tätig. Im nachfolgenden Wahlanfechtungsverfahren erkannte der Verfassungsgerichtshof die Vorgangsweise der Wahlkartenauszählung im Stimmbezirk des Beklagten als rechtswidrig und gab davon ausgehend und im Zusammenhang mit anderen rechtswidrigen Vorgängen der Wahlanfechtung statt.
Die Klägerin, die Bundesrepublik Österreich, begehrt vom Beklagten aus dem Titel der Organhaftung 36.000 EUR und damit einen Teil der Kosten der notwendig gewordenen Wahlwiederholung. Der Beklagte bestreitet ein kausales, schuldhaft rechtswidriges Verhalten. Auch sei es nicht Schutzzweck der Wahlgesetze, den Staat vor finanziellen Schäden zu schützen, die ihm durch ihre Übertretung verursacht worden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und sprach aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Der Beklagte hatte am Wahlabend die Aufgaben des Wahlleiters wahrzunehmen. Ihm ist zur Last zu legen, dass er eine Vorverlegung der Auszählung der Briefwahlstimmen auf den Wahlabend initiiert hat, jedenfalls aber, dass er die übrigen Mitglieder der Wahlbehörde nicht auf die Rechtswidrigkeit einer solchen Vorgangsweise hingewiesen hat und keine Schritte unternommen hat, um eine rechtswidrige Auszählung zu verhindern. Dadurch wurde den nicht erschienenen Mitgliedern der Wahlbehörde die Möglichkeit genommen, an der Auszählung, die erst für den nächsten Tag vorgesehen war, teilzunehmen.
Aufgabe des Beklagten als Wahlleiterstellvertreter und damit als funktionell für die Klägerin tätiges Organ war es, für die Einhaltung der Wahlrechtsbestimmungen zu sorgen. Da er diese Pflicht nicht erfüllt hat, ist dem Rechtsträger, für den er tätig wurde, ein unmittelbarer Schaden dadurch entstanden, dass die Wahl wiederholt werden musste. Dementsprechend ist auch der Schutzzweck der Norm zu bejahen. Dabei haben sämtliche rechtswidrig ausgezählte Stimmen zusammen den Gesamtschaden verursacht. Daher ist von einer Solidarhaftung der Schädiger auszugehen.
Weshalb dem Beklagten die Einhaltung der vorgegebenen Formalitäten, Auszählung der Wahlkartenstimmen am Tag nach der Wahl in Anwesenheit der Wahlkommission, nicht möglich gewesen sein soll, lässt sich auch der Revision nicht entnehmen. Insgesamt ist das Verhalten des Beklagten als leicht fahrlässig zu beurteilen, wobei unter Berücksichtigung der Bedeutung der Wahlvorschriften für die Sicherung des Grundsatzes der geheimen Wahl und der besonderen Verantwortung des Wahlleiters für deren Einhaltung nicht von einer bloß entschuldbaren Fehlleistung ausgegangen werden kann. Inwieweit eine Mäßigung iSd § 3 OrgHG zu erfolgen hat, wird im fortgesetzten Verfahren, in dem der entstandene Schaden und allfällige Mäßigungsgründe festzustellen sein werden, zu prüfen sein.