Haftung für einen verklausten Kanal
Der Eigentümer einer Liegenschaft haftet nach § 1319 ABGB für die Folgen der Verklausung eines unterirdischen Kanals, wenn er seinen Bauzustand nicht regelmäßig prüft.
Über der Liegenschaft der Beklagten verläuft ein um das Jahr 1930 errichteter, rund 70 Meter langer unterirdischer Kanal, durch den seither ein Bach geleitet wird. Der Kanal ist mittlerweile einsturzgefährdet und nur unter Gefahr teilweise begehbar. Seit 1957 fand keine Überprüfung seines Bauzustands mehr statt. Im Jahr 2019 löste sich eine größere Betonplatte von der Decke der Verrohrung und verstopfte den Kanal, was gewässerabwärts zum Austrocknen des Bachs und einem Fischsterben führte.
Der Kläger begehrte als Fischereiberechtigter den Ersatz der dadurch entstandenen Schäden.
Das Erstgericht bejahte die Haftung der Beklagten.
Das Berufungsgericht wies die Klage hingegen ab. Da der Kanal nur unter Lebensgefahr begehbar und für die Beklagte keine von außen wahrnehmbare Gefahr einer Verklausung ersichtlich gewesen sei, könne ihr kein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, eine mit Kosten von rund 25.000 EUR verbundene Inspektion mittels einer schwimmfähigen Kamera zu veranlassen.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her. Der Besitzer eines (Bau-)Werks muss zwar nicht auf jede nur erdenkliche Möglichkeit eines Schadenseintritts Bedacht nehmen. Er muss aber jedenfalls dann Kontrollen durchführen, wenn konkrete Anzeichen ein Baugebrechen vermuten lassen. Wenn er dazu nicht selbst in der Lage ist, hat er einen Fachmann zuziehen. Ist ein Kanal fast 90 Jahre alt und sind seine von außen sichtbaren Teile erkennbar baufällig, muss auch ein Laie mit der Gefahr von Schäden rechnen, sodass er dagegen Vorkehrungen zu treffen hat. Zwar ist dabei auch die Kostenbelastung zu berücksichtigen. Selbst hohe Kosten rechtfertigen es aber nicht, Jahrzehnte lang gar keine Überprüfungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen.