Haftungs- und Mitverschuldensfragen bei unrichtigen Bonitätsauskünften
Haftungs- und Mitverschuldensfragen im Zusammenhang mit entgeltlich erteilten, jedoch objektiv unrichtigen Bonitätsauskünften hinsichtlich eines möglichen zukünftigen Geschäftspartners des Auftraggebers.
Der Oberste Gerichtshof änderte klageabweisende Urteile der Vorinstanzen teilweise ab und gab dem Klagebegehren zur Hälfte statt.
Eine Kommanditgesellschaft (KG) hatte im Sommer 2008 die klagende GmbH kontaktiert, um ihr Bauaufträge zu erteilen. Diese Partei holte vor der Erteilung von Aufträgen bei der beklagten Partei eine Auskunft über die Bonität ihrer (möglichen) zukünftigen Geschäftspartnerin ein.
Im Vertrauen auf diese Bonitätsauskunft entschloss sich die klagende Partei zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit der KG und begann, für diese Bauaufträge abzuwickeln. Dies hätte sie unterlassen, hätte die beklagte Partei die Aufnahme einer Geschäftsverbindung nicht empfohlen.
Im Oktober 2008 zahlte die KG die Werklohn-Raten nicht fristgerecht. Die klagende Partei beauftragte in der Folge eine Schwestergesellschaft der beklagten Partei damit, die offenen Werkhonorare einzumahnen. Dabei stellte sich heraus, dass bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Bonitätsauskunft Exekutionsverfahren gegen die KG und deren Gesellschafter sowie mehrere „Werklohn-Prozesse“ gegen die KG anhängig gewesen waren. Vor der Forderungseintreibung hatte die beklagte Partei von den anhängigen Verfahren keine Kenntnis und hätte davon auch keine Kenntnis haben können, weil es ihr aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich war, allfällige Exekutions- oder sonstige Prozessregister einzusehen. Darauf hatte sie in ihrer Bonitätsauskunft nicht hingewiesen. Aus dem Firmenbuchauszug der KG war im August 2008 ersichtlich gewesen, dass das Unternehmen seit Gründung 1998 bereits elf Mal in Österreich den Firmensitz verlegt und regelmäßig die Firma geändert hatte. Die Bonitätsauskunft enthielt einen Auszug aus dem Firmenbuch. Die klagende Partei erwirkte in der Folge gegen die KG und deren persönlich haftende Gesellschafter Exekutionstitel. Die offenen Werklohnforderungen in der Höhe von 79.399,55 EUR konnten aufgrund der Vermögenslosigkeit der Schuldner nicht einbringlich gemacht werden. Am 5. 6. 2009 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG abgewiesen. Sie wurde gemäß § 39 FBG aufgelöst.
Der 1. Senat bejahte die Haftung der beklagten Partei als Sachverständige nach 1299 Satz 1 ABGB aus Schadenersatz nach § 1300 Satz 1 ABGB. Schon die in der, entgeltlich erteilten, Bonitätsauskunft ausgesprochene ausdrückliche Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mache deutlich, dass die Absicht der klagenden Partei, je nach Ergebnis der Auskunft geschäftliche Dispositionen zu treffen, für die beklagte Partei erkennbar war. Zwischen den Streitteilen sei ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, dessen Hauptpflicht auf Seiten der beklagten Partei in der Erteilung der Auskunft bestanden habe. Die Auskunft bzw der Rat sei insoweit objektiv unrichtig gewesen, als trotz Nichtzahlung offener Forderungen durch die KG und anhängiger (Exekutions-)Verfahren die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ausdrücklich empfohlen, das Risiko als gering eingestuft und Zahlungen des Unternehmens in der Nettofrist angegeben wurden. Ein Verschulden daran sei zu bejahen. Die Haftung des Sachverständigen bestimme sich nach objektiven Kriterien; maßgeblich seien die typischen und objektiv bestimmten Fähigkeiten von Fachleuten, die mit der Erteilung derartiger Bonitätsauskünfte befasst sind Die klagende Partei habe von der Auskunftgeberin erwarten dürfen, dass deren grundsätzlich positive Einschätzung der Bonität auf objektiven Daten und Informationen beruht und die Auftragnehmerin allenfalls unzureichende Kenntnisse offengelegt hätte.
Die Widersprüchlichkeit der Bonitätsauskunft, mit der die klagende Partei selbst argumentiere, sei jedoch nicht ohne Konsequenz für die Berechtigung ihres Schadenersatzanspruchs. Sie begründe vielmehr ihr Mitverschulden (Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten) im Ausmaß von 50 % nach § 1304 ABGB (und nicht nach § 1299 Satz 3 ABGB). Die Auskunft habe abschwächende bzw relativierende Formulierungen enthalten, die bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Geschäftsführer der klagenden Partei Anlass gewesen wären, an einer apodiktischen (unbedingten) Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen bzw Einstufung des Bonitätsrisikos als gering zu zweifeln.