Heimaufenthaltsrecht: Zu den Bestimmtheitserfordernissen eines Antrags auf Überprüfung freiheitsbeschränkender Maßnahmen, zur Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich Kinder- und Jugendpsychologie und zu § 15 HeimAufG
Ein Antrag auf Überprüfung freiheitsbeschränkender Maßnahmen muss hinreichend deutlich erkennen lassen, ob die generelle und auch umgesetzte Anordnung von körperlichen Eingriffen für den Fall eines Impulsdurchbruchs (Überprüfung fortdauernder Maßnahmen) oder ausschließlich konkret bezeichnete, bereits stattgefundene Eingriffe (nachträgliche Überprüfung von Maßnahmen), überprüft werden sollen.
Die Bewohnerin durchlebt krankheitsbedingt wiederkehrend Impulsdurchbrüche. Dabei beißt und kratzt sie sich oder andere, versucht sich die Haare auszureißen und schlägt mit dem Kopf gegen die Wand. Hat die Bewohnerin einen solchen Durchbruch, wird sie von ihren Betreuern festgehalten, bis Entspannung eintritt. Befinden sich auf der Wohnebene andere Bewohner, wird sie in einen „Bewegungsraum“ gebracht und dort festgehalten, bis sie sich wieder beruhigt hat.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens nach dem HeimAufG sind die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen, die zur Zeit der Antragstellung noch aufrecht sind, gemäß §§ 11 ff HeimAufG, und die nachträgliche Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen, die zur Zeit der Antragstellung nicht mehr aufrecht sind, gemäß § 19a HeimAufG. In beiden Fällen muss der Antrag ausreichend bestimmt sein. Hier ist der Prüfungsgegenstand unklar, weil dem Antrag nicht hinreichend deutlich zu entnehmen ist, ob der Verein die generelle und auch umgesetzte Anordnung der körperlichen Eingriffe für den Fall eines Impulsdurchbruchs (Überprüfung fortdauernder Maßnahmen) oder ausschließlich die konkret bezeichneten, bereits stattgefunden Eingriffe (nachträgliche Überprüfung von Maßnahmen), überprüft haben will, was nicht zuletzt auch die Anwendung unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Regelungen nach sich zieht.
Überdies ist im Regelfall nach Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie die zusätzliche Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich Kinder- und Jugendpsychologie nicht erforderlich. Sollte das Gericht eine noch aufrechte Freiheitsbeschränkung für zulässig erklären, hat es gemäß § 15 Abs 2 HeimAufG die näheren Umstände, etwa nach dem Zweck, der Art des Eingriffs, seiner Intensität und Dauer, sowie das zulässige Ausmaß der Freiheitsbeschränkung möglichst exakt festzulegen.