Hotelzimmer-TV ist Weitersenden (öffentliche Wiedergabe) und greift grundsätzlich in das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers ein
Beim (kabelgebundenen) Hotelzimmerfernsehen nimmt der Hotelbetreiber eine öffentliche Wiedergabe durch Weitersenden der Sendesignale des Erstsenders mit Hilfe einer anderen Sendeanlage (Kabelnetz) vor. Er greift damit grundsätzlich in das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers ein. Der Hotelbetreiber kann jedoch geltend machen, dass eine im Urheberrechtsgesetz vorgesehene Ausnahme (hier) für Kleinanlagen mit nicht mehr als 500 Teilnehmern vorliegt. Die Unionsrechtswidrigkeit dieser Ausnahmebestimmung kann im Anlassfall nicht wahrgenommen werden, weil eine richtlinienkonforme Interpretation ausscheidet.
Die Beklagte betreibt ein Hotel mit knapp über 100 Hotelzimmern, in denen Fernsehapparate aufgestellt sind, über die die Hotelgäste Fernsehprogramme empfangen können. Die Klägerin, eine Verwertungsgesellschaft, begehrte von der Beklagten, ihr für die Eingriffshandlungen in das Weitersenderecht der von ihr vertretenen Rundfunkunternehmer Schadenersatz in Höhe des Doppelten des angemessenen Entgelts zu zahlen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung und führte aus:
Dem Rundfunkunternehmer kommen nach den einschlägigen urheberrechtlichen Bestimmungen mehrere Nutzungsrechte zu. Dazu gehört vor allem das ausschließliche Recht, die (Rundfunk )Sendung gleichzeitig „über eine andere Sendeanlage“ zu senden (Weitersenderecht). Inhaber dieses Leistungsschutzrechts ist der Rundfunkunternehmer (Erstsender), der Rundfunksendungen terrestrisch, über Satellit oder über Leitungen ausstrahlt. Das Weitersenderecht bezieht sich nach österreichischem Recht nicht nur auf die drahtlose Verbreitung, sondern auch auf die Ausstrahlung über draht-/kabelgebundene Anlagen. Das Weitersenderecht des Rundfunkunternehmers knüpft tatbestandsmäßig am urheberrechtlichen Senderecht des Urhebers an; Inhalt und Umfang dieser beiden Nutzungsrechte sind ident.
Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass das Senderecht und damit auch das Weitersenderecht (Weitersenden durch den Erstsender) Anwendungsfälle der öffentlichen Wiedergabe von Rundfunksendungen (hier Fernsehen) durch Ausstrahlen bzw Verbreiten der Sendesignale über eine Sendeanlage (Rundfunknetz) sind.
Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob die Beklagte mit ihrem kabelgebundenen Hotel-TV in das Weitersenderecht der Rundfunkunternehmer (Erstsender) eingegriffen hat. Ein solcher Eingriff setzt eine vom Erstsender nicht genehmigte öffentliche Wiedergabe durch Weitersenden über eine andere Sendeanlage voraus. Für eine öffentliche Wiedergabe durch Weitersenden (durch den Zweitsender) ist nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass entweder ein neues Publikum (konkret am fraglichen Ort) erschlossen oder ein spezifisches (anderes) technisches Verfahren verwendet wird, das von der Bewilligung der Erstsendung nicht erfasst ist.
Der EuGH hat bereits ausgesprochen, dass die (Weiter-)Verbreitung von Sendesignalen an Fernsehapparate in Hotelzimmern als öffentliche Wiedergabe (im Sinn einer sekundären Wiedergabe der Rundfunksendungen) anzusehen ist. Für das Weitersenden ist entscheidend, dass die vom Erstsender öffentlich ausgestrahlten programmtragenden Sendesignale vom Weitersender (Zweitsender) empfangen und als Betreiber eines Rundfunknetzes (zB Kabelnetzes) über das eigene Netz an seine Kunden weitergeleitet werden. Dadurch wird ein neues Publikum erschlossen, das sonst in der konkreten Situation keinen Zugang zu den Rundfunksendungen hätte.
Ob die öffentliche Wiedergabe der Beklagten durch Weitersenden der Sendesignale der Erstsender in ihrem Kabelnetz einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht der Erstsender an ihrem Sendesignal (Signalschutzrecht) begründet, hängt davon ab, ob sich die Beklagte auf eine im Urheberrechtsgesetz vorgesehene Ausnahmebestimmung (hier für Kleingemeinschaftsantennenanlagen mit nicht mehr als 500 Teilnehmern) berufen kann. Dies ist zu bejahen: Diese Ausnahmebestimmung ist nach der Rechtsprechung des EuGH zwar unionsrechtswidrig. Die Unionsrechtswidrigkeit kann vom nationalen Gericht jedoch nicht beseitigt werden, weil eine richtlinienkonforme Interpretation im vorliegenden Fall nicht möglich ist.
Aufgrund der anzuwendenden Ausnahmeregelung greift die Beklagte letztlich nicht in das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers ein. Das Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen daher zutreffend abgewiesen.