Insolvenz-Entgelt für Stifter?
Ein beherrschender Einfluss auf die insolvente Gesellschaft, der den Gesellschafter von einem Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ausschließt, kann auch über eine Privatstiftung ausgeübt werden.
Die beiden Kläger waren Gründungsgesellschafter ihrer Dienstgeberin, einer GmbH, und hielten zunächst je ein Viertel des Stammkapitals. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist für Beschlüsse der Gesellschafter in wichtigen Angelegenheiten Einstimmigkeit erforderlich.
Im Jahr 2003 brachte jeder Kläger seinen Geschäftsanteil in eine Privatstiftung ein. Alleiniger Zweck der Stiftungen ist jeweils die Versorgung des Stifters und seiner Nachkommen, die Kläger haben sich über das Recht zur Bestellung und Abberufung des Beirats mittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung vorbehalten, ferner sind sie als Endbegünstigte eingesetzt.
Im Jahr 2006 wurde eine Kapitalerhöhung der Dienstgeber-GesmbH beschlossen und ein weiterer Gesellschafter aufgenommen. Aus diesem Anlass schlossen alle Gesellschafter eine Syndikatsvereinbarung, in der sie sich in jenen Angelegenheiten, die nach dem Gesellschaftsvertrag Einstimmigkeit erfordern, zur gleichgerichteten Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung verpflichteten, sobald eine Mehrheit von zwei Dritteln des Stammkapitals erreicht wurde. Zuletzt hielten die Stiftungen der Kläger je 24,25 % des Stammkapitals.
Nachdem über das Vermögen der Dienstgeber-GesmbH im Jahr 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, begehrten die Kläger Insolvenz-Entgelt.
Die beklagte IEF-Service GesmbH wandte ein, den Klägern stehe mittelbar ein beherrschender Einfluss auf die Dienstgeberin im Sinne des § 1 Abs 6 Z 2 IESG zu, der den Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ausschließe. Abweichende Vereinbarungen in einem Syndikatsvertrag änderten daran ebensowenig wie die Auslagerung des Gesellschaftsanteils an eine Stiftung .
Das Erstgericht folgte der rechtlichen Argumentation der Beklagten und wies die Klagen ab.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidungen im klagsstattgebenden Sinn ab. Die Syndikatsvereinbarung sei im Innenverhältnis rechtsverbindlich und durchsetzbar. Aufgrund der vereinbarten Stimmrechtsbindung komme keinem der Gesellschafter eine Sperrminorität zu. Ob die Kläger einen beherrschenden Einfluss auf ihre Privatstiftungen hätten, könne bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.
Der Oberste Gerichtshof folgte der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht, gab den Revisionen der Beklagten Folge und stellte die klagsabweisenden Urteile der ersten Instanz wieder her.
Die außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossene Syndikatsvereinbarung steht der Annahme eines beherrschenden Einflusses des formell mit Sperrminorität ausgestatteten Gesellschafters nicht entgegen (so bereits 8 ObS 1/13z).
Der Fall, dass ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil freiwillig an eine Stiftung überträgt, deren einziger Zweck wiederum in seiner Versorgung liegt und auf deren Geschäftsführung er mittelbar noch erheblichen Einfluss nehmen kann, ist dem im Gesetz normierten Fall eines Treuhandverhältnisses so ähnlich, dass der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 6 Z 2 IESG analog zur Anwendung kommt.
Diesem Ergebnis steht auch Art 12 der RL 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht entgegen, der generell notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Missbräuchen zulässt. Insbesondere ausdrücklich anerkennt, dass Einschränkungen der Ansprüche daraus resultieren können, dass ein Arbeitnehmer allein oder zusammen mit engen Verwandten Inhaber eines wesentlichen Teils des Unternehmens oder Betriebs des Arbeitgebers war und beträchtlichen Einfluss auf dessen Tätigkeit hatte.