Kein Aussageverweigerungsrecht eines Notariatssubstituten über den Geisteszustand der Erblasserin, wenn er nicht nur als Verfasser des Testaments, sondern auch als Testamentszeuge fungierte
Die Berufung des im Verfahren über das Erbrecht als Zeugen vernommenen Notariatssubstituten auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht ist mit den Pflichten eines Testamentszeugen nicht vereinbar. Sein Rechtsmittel gegen die über ihn verhängte Geldstrafe blieb erfolglos.
Die 92-jährige Erblasserin beauftragte den Notariatssubstituten mit der Verfassung eines (fremdhändigen) Testaments, in dem sie ihren Neffen zum Alleinerben einsetzte und frühere letztwillige Anordnungen widerrief. Am Tag, an dem die Erblasserin das Testament im Seniorenheim unterschrieb, fungierten der Notariatssubstitut sowie zwei Mitarbeiterinnen des Notariats als Testamentszeugen. Im Verfahren über das Erbrecht behauptete der in einem früheren Testament als Alleinerbe Bedachte, dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr testierfähig gewesen sei. Der als Zeuge einvernommene Notariatssubstitut verweigerte die Aussage zum Gesundheitszustand der Erblasserin, wobei er sich auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht berief.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Aussageverweigerung nicht gerechtfertigt sei und verhängte über den Notariatssubstituten, der auf seiner Weigerung beharrte, eine Geldstrafe zur Erzwingung der Aussage. Der Rekurs des Notariatssubstituten blieb erfolglos.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen.
Er betonte, dass die Testamentszeugen bei einem fremdhändigen Testament all jene Vorgänge zu bezeugen haben, aus denen erschlossen werden kann, ob der Erblasser ausdrücklich erklärt hat, dass der – hier vom Notariatssubstituten verfasste – „Aufsatz“ seinen letzten Willen enthält (sog nuncupatio). Da im vorliegenden Fall die Erblasserin zweifellos ein formgültiges Testament errichten wollte, liegt es auch in ihrem Interesse, dass die Testamentszeugen die von ihnen übernommene Zeugenpflicht uneingeschränkt erfüllen. Insoweit steht gerade das Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Notar einer Berufung auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht entgegen, die mit den Pflichten eines Testamentszeugen schlicht unvereinbar wäre.