Kein Unterlassungsanspruch gegen den Betrieb des Kernkraftwerks Temelin
Ein österreichischer Grundeigentümer kann von der Betreiberin des Kraftwerks Temelin nicht vorbeugend die Unterlassung des die Sicherheit vor ionisierender Strahlung gefährdenden Betriebs verlangen, wenn die von der Anlage ausgehende Gefährdung nicht jenes Maß überschreitet, das auch von den Kernkraftwerken höchsten (europäischen) Sicherheitsstandards ausgeht.
Die klagende Partei ist Grundeigentümerin in relativer Nähe zum in Tschechien von der beklagten Partei betriebenen Kernkraftwerk. Von diesem geht nach umfangreichen Anpassungen der Sicherheitstechnik entsprechend der Überprüfung durch nationale Behörden und der Europäischen Kommission keine den nationalen und europäischen Standards widersprechende Gefährdung durch ionisierende Strahlung aus. Die tschechischen Verwaltungsbehörden sind im Rahmen der Genehmigungsverfahren verpflichtet, Gefährdungen der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung zu verhindern, den Anrainern kommt aber in diesen Verfahren keine Parteistellung zu.
Die klagende Partei begehrte, die beklagte Partei zur Unterlassung eines die Sicherheit der Anrainer vor ionisierender Strahlung gefährdenden Betriebs – soweit die Strahlung jenes Maß überschreitet, das nach hohen internationalen Standards vorgegeben werde – zu verpflichten. Die beklagte Partei verwies auf die ihr erteilten Betriebsbewilligungen.
Die Vorinstanzen wiesen die Unterlassungsklage unter Hinweis auf die in dieser Sache ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ab, wonach es eine unzulässige Diskriminierung eines Kraftwerksbetreibers aus einem Mitgliedsstaat wäre, wenn die Betriebsbewilligung aus diesem Mitgliedsstaat nicht anerkannt würde.
Der Oberste Gerichtshof wies das gegen diese Entscheidungen gerichtete Rechtsmittel der Grundeigentümerin zurück.
Eine vorbeugende Unterlassungsklage – hier gegen den Betrieb eines Kraftwerks – ist nur gerechtfertigt, wenn die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Rechtsgutsverletzung – hier des Rechts auf körperliche Unversehrtheit/Schutz vor ionisierender Strahlung – besteht. Diese besteht nach dem festgestellten Sachverhalt im Hinblick auf die auch durch EU-Behörden überprüfte Qualität der Betriebsanlage nicht, die den geltenden europäischen Rechtsvorschriften entspricht. Es ist daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einem vergleichbaren Fall (Kraftwerk Mohovce) davon auszugehen, dass die vom Kraftwerk Temelin ausgehende Gefährlichkeit keine unzulässige Bedrohung der Rechtsgüter der klagenden Partei bildet, sondern im Sinn eines – niemals gänzlich zu vermeidenden – Restrisikos hingenommen werden muss.