Keine Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVVO aF
Nachträglich entstandene materiell-rechtliche Einwendungen gegen die titulierte Schuld bleiben im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVVO aF selbst dann unberücksichtigt, wenn sie unstrittig und/oder rechtskräftig festgestellt, also liquide sein sollten.
Die Betreibende und die Verpflichtete sind Gesellschaften, die ihren Sitz in Slowenien haben.
Über das Vermögen der Verpflichteten war mit Beschluss eines slowenischen Gerichts ein vereinfachtes Ausgleichsverfahren eingeleitet worden. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. Juli 2015 erfolgte die gerichtliche Bestätigung des vereinfachten Zwangsvergleichs. Dieser sieht vor, dass die Forderungen der Insolvenzgläubiger – auch die Betreibende hatte die hier betriebene Forderung angemeldet – binnen vier Jahren nach rechtskräftig bestätigtem Zwangsvergleich mit einer Quote von 50 % befriedigt werden.
Aufgrund eines Urteils eines slowenischen Gerichts vom 14. April 2015, ist die Verpflichtete zur Zahlung von 26.815,60 EUR sA an die Betreibende verpflichtet.
Der Betreibende begehrte die Vollstreckbarerklärung des slowenischen Exekutionstitels vom 14. April 2015, die das Erstgericht aussprach. In ihrem Rekurs dagegen wendete die Verpflichtete die auch in Österreich geltende Wirkung der Bestätigung des vereinfachten Zwangsvergleichs ein und erhob damit den materiell-rechtlichen Einwand der (noch aufrechten) Wirkung des erst nach Titelschaffung bestätigten Zwangsvergleichs einerseits in Form einer Stundung und andererseits durch teilweises Erlöschen der Forderung.
Das Rekursgericht erachtete diese Einwendung als nicht liquide und bestätigte das Erstgericht.
Während der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit offen ließ, ob der Ausschluss materiell-rechtlicher Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVVO aF auch für liquide Einwendungen gilt (RIS-Justiz RS0116739 [T2]), stellte er nunmehr – in Übereinstimmung mit der Lehre in Österreich und der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs – klar: Die Entscheidung des EuGH vom 13. Oktober 2011, C-139/10, Prism/van der Meer, ist dahin zu interpretieren, dass die von einem Verpflichteten vorgetragenen, nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedenfalls unberücksichtigt zu bleiben haben, also auch dann, wenn es sich um liquide Einwendung handeln sollte.