(Keine) Beteiligung des Betriebsrats im Aufsichtsrat von Tendenzbetrieben
Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, erzieherischen oder karitativen Zwecken dienen, die sogenannten „Tendenzbetriebe“, sind vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach dem Arbeitsverfassungsgesetz ausgenommen.
Der Oberste Gerichtshof hatte jüngst zwei Fälle zur Frage, ob ein Tendenzbetrieb vorliegt, zu entscheiden:
In 9 ObA 54/22i wurde einer vom Land Tirol gegründeten Gesellschaft die Tendenzeigenschaft versagt. Das Land ist gesetzlich verpflichtet, die Grundversorgung bestimmter anspruchsberechtigter Fremder, die sich in einer Notlage befinden, sicherzustellen. Die damit verfolgte Ausgliederung von Aufgaben des Landes im Rahmen der Grundversorgung an die private Gesellschaft (mit dem Land als Alleineigentümerin) zielte vor allem auf eine Zusammenführung der damals auf mehrere Einrichtungen des Landes verteilten personellen und sachlichen Ressourcen ab. Diese Gesellschaft dient aber deshalb keinen karitativen Zwecken, weil sie mit ihren Hilfe- und Unterstützungsleistungen an Menschen in Not keine mildtätigen Zwecke verfolgt, sondern ihre – mit dem Land Tirol abzurechnenden – Leistungen in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrags des Landes Tirol erbringt.
Hingegen wurde in 9 ObA 56/22h der Verein S**-Kinderdorf International als Tendenzbetrieb angesehen. Dieser Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Rechte von Kindern, die ohne elterliche Betreuung aufwachsen oder Gefahr laufen, nicht länger von ihren Eltern betreut zu werden, zu schützen. Zu diesem Zweck ist S**-Kinderdorf in 135 Ländern vertreten und betreibt mehr als 550 S**-Kinderdörfer sowie über 1.500 weitere Programme in der Kinder- und Jugendbetreuung sowie Familienstärkung. Der Verein als Dachorganisation seiner (karitativen) Mitgliedsverbände dient unmittelbar der Verfolgung eines karitativen bzw erzieherischen Zweckes, weil er – objektiv auch nach außen erkennbar – mit seinen Arbeitsergebnissen einen geschützten Zweck verwirklicht, indem er nach außen gegenüber Dritten und nach innen gegenüber seinen Mitgliedsverbänden den Weg für deren karitative und erzieherische Arbeit bereitet.