Keine Identitätsfeststellung ohne Anfangsverdacht – Amtshaftung verneint
Die amtswegige Ermittlungspflicht setzt das Bestehen eines den Organen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdachts einer Straftat voraus. Stoßen Polizeibeamte im Supermarkt zufällig auf eine am Boden sitzende Kundin, besteht keine Verpflichtung, die Identität aller Anwesenden zu erheben, wenn den Beamten die konkrete Möglichkeit einer fahrlässigen Körperverletzung nicht erkennbar war und von ihnen ein solcher Verdacht aufgrund der Umstände auch nicht angenommen werden musste.
Die Klägerin stürzte in einem Supermarkt über den Fuß einer anderen Kundin und verletzte sich dabei. Zwei Polizisten in Uniform, die dort zufällig einkauften, kamen erst hinzu, als sie nach dem von ihnen nicht beobachteten Sturz bereits am Boden saß. Der stellvertretende Filialleiter und eine Kundin (die aber nicht jene war, die am Sturz beteiligt war) kümmerten sich um sie. Die Kundin, über deren Fuß die Klägerin gestürzt war, hielt sich noch im Umfeld, aber „deutlich im Hintergrund“ auf. Die Polizisten erkundigten sich, was los sei und unterhielten sich mit einer sich um die Klägerin kümmernden Kundin. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Polizisten während der Anwesenheit der „Unfallverursacherin“ auf diese hingewiesen hätte oder dass die Polizeibeamten die sich unauffällig vom Ort des Geschehens entfernende Kundin „bewusst als mit dem Unfall in Verbindung stehend überhaupt wahrgenommen“ hätten.
Die Klägerin begehrt Schadenersatz für entgangenes Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung des Bundes nach dem Amtshaftungsgesetz. Die Polizisten wären verpflichtet gewesen, die Identität der am Sturz beteiligten Kundin festzustellen. Dann wäre sie an der Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese nicht gehindert gewesen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof wies das Rechtsmittel der Klägerin zurück. Die von ihr unterstellte Ermittlungspflicht bei jeder vorläufig noch unklaren Situation besteht nicht. Ermittlungen sind nur durchzuführen, wenn ein Anfangsverdacht besteht. Dass eine Kundin in einem Supermarkt am Boden saß (als die Organe des Bundes hinzutraten), mag vielleicht noch (wenn auch keineswegs zwingend) einen Sturz nahegelegt haben. Es ist aber bei weitem nicht jeder Sturz fremdverschuldet, noch weniger lässt der bloße Umstand, dass sich jemand bei einem Sturz verletzt hat, darauf schließen, dass diese Verletzung auf eine Straftat zurückgeht.