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Keine strafrechtliche Hinterlegung (Verwahrung), wenn der Berechtigte leicht feststellbar ist

 
 

Auch für eine strafrechtliche Hinterlegung (Verwahrung) – hier auf Antrag der Staatsanwaltschaft – muss ein tauglicher Hinterlegungsgrund bescheinigt werden. Dafür ist vorausgesetzt, dass mehrere Personen (Herausgabeprätendenten) Ausfolgungsansprüche erheben, oder dass die Berechtigung eines einzelnen Herausgabeprätendenten zweifelhaft ist.

Die Staatsanwaltschaft beantragt die gerichtliche Hinterlegung (Verwahrung) eines Fahrzeugs. Dieses Fahrzeug ist rechtmäßig auf den Ersterlagsgegner, einem belgischen Staatsbürger, zugelassen. Dieser erstattete im März 2015 Anzeige, dass das Fahrzeug in Antwerpen gestohlen worden sei. In der Folge wurde das Fahrzeug von der Landespolizeidirektion Burgenland sichergestellt. Die internationale Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) war verfälscht. Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs mit verfälschter FIN ist der Inhaber der Zweiterlagsgegnerin, einer Fahrzeughändlerin. Letzterer wurde das Fahrzeug von einer in die Ermittlungen einbezogenen Person verkauft. Die Zweiterlagsgegnerin hat keinen Ausfolgungsantrag gestellt.

Das Erstgericht wies den Erlagsantrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung und führte aus:

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit darin, dass das Erlagsgesuch von der Staatsanwaltschaft stammt. Es handelt sich daher um einen „strafrechtlichen Erlag“. Einem solchen Fall geht eine Verwahrung eines Gutes nach der Strafprozessordnung voran. Sobald es die Sach- und Rechtslage gestattet, sind die gebotenen Verfügungen zu treffen, um die Verwahrung zu beenden. Dabei sind beschlagnahmte Gegenstände nach Wegfall des Verwahrungsgrundes grundsätzlich an jene Person auszufolgen, aus deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden. Wenn diese Person allerdings offensichtlich keine Berechtigung über den betreffenden Gegenstand hat, ist er der berechtigten Person auszufolgen, eine gestohlene Sache etwa dem Bestohlenen. Ist der Berechtigte nicht bekannt und auch nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand feststellbar, so ist nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen.

Dafür ist vorausgesetzt, dass mehrere Personen (Herausgabeprätendenten) Ausfolgungsansprüche erheben, die in schlüssiger Weise miteinander konkurrieren, oder dass die Berechtigung eines einzelnen Eigentumsansprechers“ (Herausgabeprätendenten) nach den Umständen zweifelhaft ist, etwa weil sie von einem Dritten schlüssig bestritten wird. Demgegenüber ist ein Erlag nicht gerechtfertigt, wenn der Herausgabeberechtigte leicht feststellbar ist.

Die Fahrzeughändlerin hat keinen Ausfolgungsantrag gestellt. Es treten demnach nicht mehrere Herausgabeprätendenten auf. Davon abgesehen ist eine Berechtigung der Fahrzeughändlerin offensichtlich nicht gegeben, weil sie sich nicht auf einen gutgläubigen Eigentumserwerb stützen kann; sie hat das Fahrzeug von keiner dazu berechtigten Person gekauft. Der Herausgabeanspruch des Ersterlagsgegners ist demgegenüber nicht zweifelhaft; dieser war vor dem Diebstahl der rechtmäßige (Zulassungs-)Besitzer.

Da der Berechtigte somit leicht feststellbar ist, ist die beantragte Hinterlegung (Verwahrung) nicht berechtigt.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/keine-strafrechtliche-hinterlegung-verwahrung-wenn-der-berechtigte-leicht-feststellbar-ist/)

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