Kinderbetreuungsgeld und Assoziation EU-Türkei
Eine türkische Asylwerberin, die während des – letztlich für sie erfolglosen – Asylverfahrens in Österreich ein Kind gebar, hat keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn sie selbst nicht Arbeitnehmerin oder Ehefrau eines türkischen Arbeitnehmers, sondern Ehefrau eines türkischen Staatsbürgers war, der in Österreich nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) versichert war.
Die türkische Klägerin reiste im Jänner 2004 in Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Im Oktober 2008 brachte sie ihr drittes Kind zur Welt. Für dieses beantragte sie Kinderbetreuungsgeld. Der Vater des Kindes und Ehemann der Klägerin – ebenfalls türkischer Staatsbürger – war von Oktober 2008 bis Juni 2010 selbständig als Unternehmer in Österreich tätig und nach dem GSVG pflichtversichert. Das Asylverfahren endete am 9. 2. 2010 für die Klägerin negativ. Im Mai 2013 lehnte die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld ab, nachdem die Klägerin den Bezug der Familienbeihilfe von Oktober bis Februar 2010 für ihren jüngsten Sohn nachgewiesen hatte.
Die Klägerin begehrte Kinderbetreuungsgeld vom 16. 10. 2008 bis 15. 6. 2010.
Das Erstgericht sprach der Klägerin Kinderbetreuungsgeld vom 16. 10. 2008 bis 9. 2. 2010 zu und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Beide Gerichte gingen davon aus, dass die Klägerin als Familienangehörige eines in Österreich selbständig erwerbstätigen türkischen Staatsbürgers in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf die türkischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörige vom 19. 9. 1980 (ARB Nr 3/80) falle und deshalb einer österreichischen Staatsbürgerin in Bezug auf die begehrte Familienleistung gleichstehe.
Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung nicht.
Er hielt fest, dass die Klägerin Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nur dann hat, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich des ARB Nr 3/80 fällt. Das in diesem Beschluss normierte Gleichbehandlungsgebot gilt für sie aber nicht. Dieser Beschluss gilt nämlich nur für Arbeitnehmer, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, und die türkische Staatsangehörige sind, für deren Familienangehörige, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, und für Hinterbliebene dieser Arbeitnehmer. Arbeitnehmer im Sinn dieses Beschlusses ist in Österreich aber nur eine Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken nach dem ASVG oder nach einem anderen System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist. Da die Klägerin weder selbst Arbeitnehmerin noch Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers war, musste ihre Klage erfolglos bleiben.