Kollisionskuratel bei Beteiligung von Kind und Obsorgeberechtigtem an Gesellschaft
Eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, reicht nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind und damit gleichsam prophylaktisch die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können.
Die beiden Minderjährigen sind sehr vermögend. Sie sind jeweils wie auch ihre Mutter zu 20 % Gesellschafter einer GmbH; ihr Geschäftsanteil hat jeweils einen Wert von vielen Millionen EUR. Die Obsorge kommt ihrer Mutter zu. Aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung wurde im Mai 2019 für jeden der beiden Minderjährigen bis zu seiner Volljährigkeit ein Rechtsanwalt zum Kollisionskurator bestellt. Mit Schriftsatz vom 23. 4. 2021 stellte die Mutter im eigenen Namen sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder einen auf gänzliche Beendigung beider Kuratelen abzielenden Antrag.
Der Oberste Gerichtshof entschied als Revisionsrekursgericht auf Beendigung der beiden Kuratelen und enthob die Kuratoren ihres Amtes. Er führte unter anderem aus:
Nach Ansicht des Senats reicht eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind und damit gleichsam prophylaktisch die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können.
Die gegenteilige Auffassung stünde zum einen in Konflikt mit der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Auffassung, die etwa erst bei einer anstehenden Satzungsänderung oder Auflösungsvereinbarung die Bestellung eines Kollisionskurators für nötig hält. Zum anderen muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Obsorge entsprechend den Interessen des Kindes ausgeübt wird. Auch bei einer Beteiligung von Obsorgeberechtigtem und Kind an einer Gesellschaft ist grundsätzlich ein Interesseneinklang zu erwarten, ist doch das Wohlergehen der Gesellschaft im Interesse beider. Dass etwa hinsichtlich Gewinnausschüttung unterschiedliche Interessen von Obsorgeberechtigtem und Kind denkbar sind, rechtfertigt noch nicht die Kollisionskuratel, wird doch in solchen Fällen insbesondere mit Auftragserteilungen und erforderlichenfalls mit einer Kuratorbestellung ad hoc in aller Regel das Auslangen gefunden werden können. Es gilt dabei der Grundsatz der Anwendung des gelindesten zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeigneten Mittels auf dem Bereich der Vermögensverwaltung.
Dass ein Obsorgeberechtigter ein großes Kindesvermögen verwaltet, ist auch durchaus vom Gesetz gedeckt, schränkt dieses doch die Vermögensverwaltung der Eltern dem Wert nach in keiner Weise ein, sondern knüpft an das Vorliegen eines „nennenswerten Vermögens“ nur eine besondere pflegschaftsgerichtliche Überwachung. Sollten einem Obsorgeberechtigten die Fähigkeiten fehlen, das große Vermögen seines Kindes zu verwalten, und daraus eine Gefährdung von dessen materiellem Wohl resultieren, und kann das Manko nicht durch besondere pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen ausgeglichen werden, so wäre nicht mit Bestellung eines Kollisionskurators, sondern als ultima ratio mit teilweiser Entziehung der Obsorge vorzugehen.
Dass die Mutter grundsätzlich nicht in der Lage wäre, im Interesse ihrer Kinder deren Geschäftsanteile zu verwalten, ist nicht ersichtlich. Ebenso liegt nach der zwischenzeitlichen Entwicklung kein Hinweis vor, dass sie in Hinsicht auf Gewinnausschüttung oder Geschäftspolitik derzeit Interessen hat, die jenen der Minderjährigen zuwiderlaufen. Das Vorliegen einer konkreten, nicht bloß abstrakt denkbaren Interessenkollision in der Vergangenheit oder in der absehbaren Zukunft zwischen der Mutter und den beiden Kindern wurde von den Kollisionskuratoren auch weder in ihren Äußerungen zum Enthebungsantrag noch im Revisionsrekursverfahren behauptet. Ebenso ist jedenfalls derzeit nicht ersichtlich, dass die Interessen der beiden Kinder untereinander konfligierten oder in absehbarer Zeit konfligieren werden. Es ist aber vor allem auch nicht ersichtlich, warum nicht mit Maßnahmen wie etwa einer der Mutter vom Erstgericht erteilten Berichtspflicht vor Beschlussfassungen der Gesellschafter und erforderlichenfalls einer Kuratorbestellung ad hoc das Auslangen gefunden werden kann.