Kosten für Psychotherapie der Kinder nach Scheidung
Die Therapiekosten müssen vom Vater nur dann übernommen werden, wenn es nicht möglich war, innerhalb angemessener Frist einen Kassenplatz zu erhalten.
Bereits zum zweiten Mal hatte der Oberste Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob der Vater von Philipp S (geboren 1997) und Michael S (geboren 2000) verpflichtet ist, zusätzlich zum laufenden Unterhalt – im Monatsdurchschnitt 580 Euro für Philipp und 500 Euro für Michael – die Kosten für die psychotherapeutische Behandlung der Kinder als „Sonderbedarf“ zu ersetzen.
Die Ehe der Eltern wurde 2001 geschieden. Nach einem langwierigen Obsorgeverfahren wurde 2007 die Mutter allein mit der Obsorge betraut.
Die beiden Kinder zeigten ab 2003 Verhaltensauffälligkeiten. Der im Obsorgeverfahren beigezogene Sachverständige riet zu einer Psychotherapie, die 2004 aufgenommen wurde. Die von der Mutter beauftragten Psychotherapeuten hatten allerdings vorerst keine „Kassenplätze“ frei. Erst im Oktober 2006 konnte für Michael eine Therapeutin gefunden werden, deren Kosten von der Gebietskrankenkasse refundiert wurden. Insgesamt fielen für die Therapie von Philipp in den Jahren 2005 – 2009 Kosten von mehr als 6.000 Euro und für die Therapie von Michael in den Jahren 2005 und 2006 Kosten von rund 2.500 Euro an.
Am 13. Oktober 2010 entschied der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 144/10p, dass der Vater grundsätzlich zum Ersatz der Therapiekosten verpflichtet sei, allerdings nur dann, wenn es nicht möglich war, die Therapien in zumutbarer Zeit auf Kosten der Krankenkasse durchzuführen. Die Gebietskrankenkasse konnte keine Informationen zur Situation in den Jahren 2005 und 2006 geben. Ab 2007 wäre es aber möglich gewesen, innerhalb einer angemessenen Zeit einen Therapieplatz zu erhalten, dessen Kosten von der Gebietskrankenkasse getragen werden.
In der vorliegenden Entscheidung (3 Ob 190/12b vom 14. November 2012) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass es den Kindern natürlich unbenommen bleibt, einen Therapeuten zu wählen, der keinen Kassenplatz anbieten kann. Die Therapiekosten müssen vom Vater aber nur dann übernommen werden, wenn es nicht möglich war, innerhalb angemessener Frist einen Kassenplatz zu erhalten. Für Philipp galt das aufgrund der Auskunft der Gebietskrankenkasse aber nur bis zum Jahr 2007. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass ein Wechsel zu einem auf Krankenkassekosten arbeitenden Therapeuten nicht von einem Tag auf den anderen zweckmäßig ist und dass auch 2007 noch gewisse Wartezeiten in Kauf genommen werden mussten.
Als Ergebnis reduzierte der Oberste Gerichtshof die Zahlungspflicht des Vaters um die in der zweiten Jahreshälfte 2007 sowie in den Jahren 2008 und 2009 angefallenen Therapiekosten. Das Erstgericht und das Rekursgericht hatten dem Vater noch den Ersatz der gesamten Therapiekosten auferlegt.