Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats in einer unzulässigen Betriebsvereinbarung bleiben nicht bestehen
Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats in einer unzulässigen Betriebsvereinbarung sind in ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers umzudeuten. Ein solches Gestaltungsrecht darf aber nur im billigen Ermessen ausgeübt werden. Wird für die Begleichung der ausländischen Arbeitnehmer-Steuern ein „Steuertopf“ gebildet, so hat jeder betroffene Arbeitnehmer nach Ablauf der (hier dreijährigen) Nachlauffrist gegen den beklagten Arbeitgeber einen individuellen Rückzahlungsanspruch. Dieser ist auf die Rückzahlung des jeweiligen Überhangs im Steuertopf für die jeweils maßgebende Zeitperiode (hier Kalenderjahr) im Verhältnis der Einzahlungen der betroffenen Mitarbeiter gerichtet.
Der Kläger war 43 Jahre lang bei der Beklagten als Montagemitarbeiter beschäftigt. Er war vor allem im Ausland tätig. Zur Regelung der lohnsteuerrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen schlossen die beklagte Arbeitgeberin und der Zentralbetriebsrat eine unzulässige Betriebsvereinbarung über eine „Steuertopfbeteiligung“. Danach wurde bei allen im Ausland tätigen Mitarbeitern vom Gehalt der Betrag für die inländische Lohnsteuer einbehalten. Diese Gelder flossen in den „Lohnsteuertopf“. Damit sollten die ausländischen Steuern beglichen werden. Die betroffenen Mitarbeiter bildeten in dieser Hinsicht eine Risikogemeinschaft. Da die Steuern von den ausländischen Steuerbehörden nicht immer sogleich vorgeschrieben wurden, wurde eine „Nachlauffrist“ von 3 Jahren vereinbart. Über die Rückzahlung eines allfälligen „deutlichen Überhangs“ aus dem Steuertopf an die Arbeitnehmer sollte die Beklagte mit dem Zentralbetriebsrat beraten. Der letzte Auslandseinsatz des Klägers erfolgte im Jahr 2013. Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses im Jahr 2016 begehrte er eine Auszahlung aus dem Steuertopf, was von der Beklagten abgelehnt wurde.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 8.000 EUR.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Dazu führte das Höchstgericht aus:
Unzulässige Betriebsvereinbarungen sind Vertragsschablonen, deren Inhalt ausdrücklich oder schlüssig zu einer Änderung bzw Ergänzung des Einzelvertrags führen kann. Dies war hier der Fall. Ähnlich wie in der Entscheidung 8 ObS 7/06x handelt es sich bei der zugrunde liegenden Steuertopfvereinbarung um eine die ursprüngliche Bruttolohnvereinbarung der ins Ausland entsandten Arbeitnehmer ändernde Entgeltregelung. Danach wurde die Bruttolohnvereinbarung für die Dauer der Auslandsentsendung dahin modifiziert, dass von den Löhnen der betroffenen Arbeitnehmer die fiktive österreichische Lohnsteuer einbehalten wurde. Die zugrunde liegende Steuertopfvereinbarung bewirkte ihrem Charakter nach eine Vertragsänderung in Form einer (besonderen) Nettolohnvereinbarung. Die Besonderheit dieser Nettolohnvereinbarung besteht darin, dass der Überhang im Steuertopf nicht endgültig im Vermögen der Beklagten verbleiben soll. Davon ausgehend ist zu unterstellen, dass die Vertragsparteien von einer grundsätzlichen Rückzahlungspflicht nach Ablauf der Nachlauffrist ausgegangen sind.
Enthält eine unzulässige Betriebsvereinbarung Bedingungen, so bleiben diese im Verhältnis zum Arbeitgeber bestehen. Gleiches gilt für Gestaltungsvorbehalte des Arbeitgebers. Für Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats gilt dies demgegenüber nicht.
Im Anlassfall hätte die in der unzulässigen Betriebsvereinbarung enthaltene Ausschüttungsregelung konkret zur Folge, dass die beklagte Arbeitgeberin über die Rückzahlung eines Überschusses aus dem Steuertopf beliebig entscheiden könnte. Darin kann keine Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber im billigen Ermessen erblickt werden. Vielmehr kann eine billige Ermessensausübung nur darin gesehen werden, dass die betroffenen Arbeitnehmer nach Ablauf der Nachlauffrist (3 Jahre ab dem letzten Auslandseinsatz) einen individuellen Rückzahlungsanspruch derart haben, dass ein Überhang im Lohnsteuertopf für die jeweils maßgebende Zeitperiode (Kalenderjahr) im Verhältnis der Einzahlungen der betroffenen Arbeitnehmer zurückzuerstatten ist.
Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen halten die Entscheidungen der Vorinstanzen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Da zur Höhe des vom Kläger geltend gemachten Rückforderungsanspruchs Feststellungen fehlen, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.