Mögliche Amtshaftung für Verfahrensverzögerungen bei der Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
Die Behörde ist verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, und hat daher von weiteren Erhebungen Abstand zu nehmen, wenn der Sachverhalt hinreichend geklärt ist.
Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt aus dem Titel der Amtshaftung Verdienstentgang für den Zeitraum Jänner 2019 bis Februar 2020 und machte dazu geltend, wäre ihr die Aufenthaltskarte rechtzeitig ausgestellt worden, hätte sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Zu ihrem Aufenthaltsrecht berief sie sich darauf, dass ihr Mann (ein österreichischer Staatsangehöriger) das Recht seiner unionsrechtlichen Freizügigkeit ausübe, weil er einer selbständigen Tätigkeit in Deutschland nachgehe. Zur Bescheinigung ihres Aufenthaltsrechts beantragte sie am 2. 7. 2018 die Ausstellung der Aufenthaltskarte. Die Behörde stellte sie ihr am 16. 6. 2020 aus.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie gingen – zusammengefasst – davon aus, dass die Verfahrensdauer vor der Behörde vertretbar gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob die Entscheidung der Vorinstanzen zur Klärung ihrer Ansprüche auf.
Von der Behörde wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lediglich zu prüfen gewesen, ob der Mann der Klägerin irgendwann von der Freizügigkeit nach der Richtlinie 2004/38/EG Gebrauch gemacht hat, was nur dann nicht angenommen hätte werden können, wenn er in Deutschland entweder überhaupt keine Tätigkeit nach dieser Bestimmung oder lediglich eine solche, die die Bagatellgrenze nicht überschritt, ausgeübt hätte. Da die Klägerin mit Ende Jänner 2019 alle erforderlichen Unterlagen (für eine positive Entscheidung) nachgereicht hatte, hätte die Behörde längstens bis 1. 4. 2019 entscheiden müssen. Die Weiterführung des Ermittlungsverfahrens darüber hinaus beruhte – weil von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweichend – auf einer unvertretbaren Rechtsansicht, sodass von einer schuldhaften Säumnis auszugehen ist.