Nichtigkeitsbeschwerde – falsch besetztes Schöffen- oder Geschworenengericht
Bei Prüfung der Frage, ob der Nichtigkeitswerber einen behaupteten Besetzungsmangel rechtzeitig gerügt hat, ist davon auszugehen, dass die Dienstlisten für Schöffen und Geschworene grundsätzlich allgemein zugänglich sind. Die Einhaltung der in diesen Dienstlisten vorgegebenen Reihenfolge ist aus ex ante-Sicht zu beurteilen.
Das Erstgericht verurteilte die beiden Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida zu mehrjährigen (teilweise bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen.
Der Oberste Gerichtshof wies ihre Nichtigkeitsbeschwerden zurück und traf dabei zum Einwand der Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO), der erkennende Senat sei nicht im Sinn der in der Dienstliste der Schöffen vorgegebenen Reihenfolge zusammengesetzt gewesen, folgende Klarstellungen:
Hinsichtlich des Zeitpunktes, ab dem der die Nichtigkeit nach sich ziehende Tatumstand „in die Kenntnis“ des Beschwerdeführers gelangt, ist auf objektive Kriterien, nämlich die Zugänglichkeit des diesbezüglichen Tatsachensubstrats, abzustellen. Da in die von den Präsidenten der Landesgerichte zu führenden Dienstlisten für Geschworene und Schöffen (§ 13 Abs 1 GSchG) grundsätzlich von jedermann Einsicht genommen werden kann, sind darauf bezogene Fehler spätestens am Beginn der Hauptverhandlung zugänglich. Demgemäß ist auch ein angeblich Nichtigkeit begründender Verstoß gegen die aus der Dienstliste ersichtliche Reihenfolge gleich am Verhandlungsbeginn geltend zu machen (§§ 281 Abs 1 Z 1, 345 Abs 2 StPO).
Wird einer Prozesspartei das Recht, in die Dienstliste einzusehen, verwehrt, hat sie zwecks Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben am Beginn der Hauptverhandlung mit entsprechender Antragstellung vorzugehen. Die diesbezügliche Beschlussfassung unterliegt sodann der Kontrolle nach § 281 Abs 1 Z 4 (§ 345 Abs 1 Z 5) StPO.
Inhaltlich bewirkt ein Verstoß gegen die in der Dienstliste vorgegebene Reihenfolge dann Nichtigkeit iS des § 281 Abs 1 Z 1 (§ 345 Abs 1 Z 1) StPO, wenn vom gesetzlich determinierten Prinzip der nach dem Zufall zu erfolgenden Besetzung willkürlich, mithin in sachlich unvertretbarer Weise abgewichen wird. Die Einhaltung dieses Prinzips ist – dem System der Nichtigkeitsgründe folgend – aus ex ante-Sicht zu prüfen.
Fallbezogen führte die Besetzungsrüge nicht zum Erfolg, weil der behauptete Mangel im Sinn der obigen Darlegungen nicht rechtzeitig gerügt worden war. Ergänzend hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass die gebotene ex ante-Betrachtung keine Willkür des Erstgerichts erkennen ließ, weil dieses die Ladung der Schöffen gesetzeskonform verfügt hatte und diese Verfügung (zwar nicht tatsächlich, aber) nach der Aktenlage ordnungsgemäß umgesetzt worden war.