Notariatsaktspflicht des Versprechens einer Morgengabe im Jahr 1998
Eine im Jahr 1998 im Rahmen einer muslimischen Heirat versprochene „Brautgabe“ ist eine Morgengabe im Sinne der hier noch anzuwendenden alten Vorschriften des ABGB.
Die Streitteile, schon damals österreichische Staatsbürger und muslimischen Glaubens, schlossen am 25. 3. 1998 vor einem Wiener Standesamt die Ehe. Die Hochzeit nach islamischem Ritus erfolgte drei Tage danach. In der dabei sowohl in deutscher als auch arabischer Sprache niedergeschriebenen „Heiratsurkunde“ bestätigte der Imam unter anderem, „dass [der Beklagte] seinen Willen erklärt hat, [die Klägerin] zu heiraten. Seine zukünftige Brautgabe beträgt ein jordanisches Dinar und ein Kilo Gold als Nachzahlung“. Wann das Gold zu leisten sein werde, haben die Eheleute nicht vereinbart.
Nachdem die Ehe 2022 rechtskräftig aus gleichteiligem Verschulden beider Parteien geschieden worden war und sie noch immer nicht das Kilogramm Gold erhalten hatte, erhob die Frau Leistungsklage.
Der Beklagte wandte Formnichtigkeit der Vereinbarung ein; es hätte ein Notariatsakt errichtet werden müssen.
Das Erstgericht schloss sich dem Rechtsstandpunkt des Beklagten an und wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht gab der Klage demgegenüber statt. Es liege keine Morgengabe im Sinne der vormaligen Rechtsvorschriften des ABGB vor, weshalb das Fehlen eines Notariatsakts nicht schade.
Der Oberste Gerichtshof stelle das Urteil des Erstgerichts wieder her. Er führte unter anderem aus:
Zur Entscheidung des vorliegenden Falls ist weiterhin das ABGB in seiner bis 31. 12. 2009 geltenden Fassung anzuwenden. Bis 31. 12. 2009 war als ein Ehepakt in § 1217 ABGB ausdrücklich (auch) die „Morgengabe“ angeführt, die bis zu jenem Zeitpunkt zudem § 1232 ABGB besonders regelte. Sein Satz 1 definierte sie als „das Geschenk, welches der Mann seiner Gattin am ersten Morgen zu geben verspricht“. Seine Satz 2 stellte für den Fall, dass eine Morgengabe versprochen worden ist, im Zweifelsfall die Vermutung auf, „dass sie binnen den ersten drei Jahren der Ehe schon überreicht worden sei“.
Die Morgengabe im Sinne der alten Fassung des § 1232 ABGB hat freiwilligen Charakter; sie findet nur statt, wenn sie versprochen oder tatsächlich geleistet wird.
Damit eine vermögensrechtliche Zuwendung als Morgengabe angesehen werden kann, reicht es aus, dass sie vom Mann der Frau entweder – wann auch immer – mit der Bezeichnung als „Morgengabe“ oder am ersten Morgen nach der Verehelichung gegeben oder versprochen wird.
Dass in der – sowohl in deutscher als auch arabischer Sprache verfassten – islamischen Heiratsurkunde die Bezeichnung „Brautgabe“ verwendet wurde, schadet nicht, handelt es sich dabei doch um ein bloßes Synonym des heute nicht mehr allgemein gebräuchlichen Begriffs „Morgengabe“.
Aus welchem Grund sich der Mann dazu entschließt, der Frau eine Morgengabe zu geben oder zu versprechen, bzw warum die Frau darauf besteht, ist gleichgültig. Der Gesetzgeber begnügte sich mit dem Tatbestand des § 1232 Satz 1 ABGB, ohne auf Gebräuche, religiöse Sitten oder sonstige Motive der Ehegatten oder Brautleute abzustellen.
Dass nach dem Koran (Sure 4 Vers 4) der Mann zur Leistung der Morgengabe verpflichtet ist, ändert nichts daran, dass es dazu keine gesetzliche Verpflichtung gibt und folglich auch eine muslimische Morgengabe im Sinne des ehemaligen § 1232 ABGB freiwilligen Charakter hat.
Nach dem Notariatsaktsgesetz ist die Gültigkeit von Ehepakten durch die Aufnahme eines Notariatsakts bedingt. Mangels eines Notariatsakts war die zwischen den Streitparteien getroffene Vereinbarung über die Leistung von einem Kilogramm Gold rechtsunwirksam.