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Patient:innen haben einen datenschutzrechtlichen Anspruch auf kostenlose Kopie der gesamten Krankengeschichte

 
 

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gewährt den Patient:innen einer Krankenanstalt das Recht auf eine kostenlose erste Kopie der gesamten Krankengeschichte; ein Kostenbeitrag darf nicht eingehoben werden.

Die beklagte Gebietskörperschaft betreibt eine Krankenanstalt, in der der Kläger stationär behandelt wurde. Um Ansprüche aus einem Arbeitsunfall geltend machen zu können, verlangte er von der Krankenanstalt eine Kopie seiner Krankengeschichte, verweigerte aber die Zahlung eines Kostenbeitrags. Die beklagte Krankenhausbetreiberin stützte ihre Berechtigung, ein Entgelt zu verlangen, auf das Wiener Krankenanstaltengesetz. Dieses sieht zwar für viele Fälle die kostenlose Übermittlung der Krankengeschichte vor – insbesondere an einweisende oder weiterbehandelnde Ärzte bzw Ärztinnen –, erlaubt aber für die übrigen Fälle, ein Entgelt zu verrechnen.

Der OGH wurde in dieser Sache bereits einmal angerufen. Er sprach in seiner Entscheidung vom 17. 12. 2020 (6 Ob 138/20t) aus, dass natürliche Personen grundsätzlich einen Anspruch auf kostenlose Herausgabe einer ersten Kopie ihrer verarbeiteten personenbezogenen Daten haben; erst für wiederholte Anfragen kann ein Entgelt verrechnet werden. Bei einer Krankengeschichte handelt es sich um personenbezogene Daten. Allerdings konnte in der ersten Entscheidung noch nicht beurteilt werden, ob sich die Betreiberin der Krankenanstalt auf eine Ausnahme vom Recht auf eine kostenlose Erstkopie stützen konnte, konkret auf ein wichtiges öffentliches Interesse, wozu auch wirtschaftliche und finanzielle Interessen der öffentlichen Hand im Bereich der öffentlichen Gesundheit und sozialen Sicherheit zählen. Das Gericht erster Instanz musste daher weitere Feststellungen zum wirtschaftlichen Aufwand, der mit der Auskunftserteilung verbunden ist, treffen.

Zum Zeitpunkt der aktuellen Entscheidung des OGH hatte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits ausgesprochen, dass das Recht auf eine kostenlose Erstkopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten die Krankengeschichte von Patient:innen erfasst (Urteil C-307/22 vom 26. 10. 2023).

Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Ausnahme und sprach dem klagenden Patienten das Recht zu, eine Erstkopie seiner Krankengeschichte ohne Zahlung eines Kostenbeitrags zu erhalten. Der wesentliche Grund liegt darin, dass die Ausnahmebestimmung restriktiv auszulegen ist und der derzeit eingehobene Kostenbeitrag nur einen sehr geringen Anteil des gesamten Aufwands, der für die Herstellung von Kopien von Krankengeschichten in den Krankenanstalten der beklagten Betreiberin anfällt, deckt. Die Ausübung des datenschutzrechtlichen Anspruchs auf eine Gratis-Kopie, also der Wegfall der bisher eingehobenen Kostenbeiträge, erreicht daher nicht das erforderliche Gewicht eines wichtigen öffentlichen Interesses.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 16.10.2024, 00:10
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/patientinnen-haben-einen-datenschutzrechtlichen-anspruch-auf-kostenlose-kopie-der-gesamten-krankengeschichte/)

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