Pflegeleistungen unter Angehörigen können Anspruch gegen die Verlassenschaft begründen
Die Entscheidung enthält wichtige Aussagen zu Ansprüchen aufgrund von Pflegeleistungen, die einem später Verstorbenen in Erwartung einer Gegenleistung erbracht worden sind.
Die Erblasserin hatte 2007 ein Testament zu Gunsten ihrer Nichte errichtet, worauf diese sie bei sich aufnahm und bis zu ihrem Tod im Jahr 2013 betreute. 2008 wurde die Nichte auch zur Sachwalterin bestellt. Nach dem Tod stellte sich heraus, dass das Testament wegen Testierunfähigkeit ungültig war. Es erbten daher Nachbarn der Erblasserin, die sie in einem früheren Testament als Erben eingesetzt hatte.
Die Nichte begehrte von den Erben die Abgeltung ihrer Pflegeleistungen. Sie habe knapp 6.700 Stunden aufgewendet, woraus sich bei einem Stundensatz von 15 EUR ein Anspruch von 100.000 EUR ergebe. Sie habe ihre Leistungen in Erwartung der Erbeinsetzung erbracht; die Erblasserin habe sich dadurch Aufwand für professionelle Pflege erspart. Insofern seien nun die Erben bereichert.
Das Erstgericht wies die Klage aus rechtlichen Gründen ab, ohne die Behauptungen der Klägerin inhaltlich zu prüfen. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf. Es vertrat die Auffassung, dass ein Anspruch nur bestehen könne, wenn für die Erblasserin erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin ihre Leistungen in Erwartung einer späteren Gegenleistung erbracht habe. Dafür müsse die Erblasserin geschäftsfähig gewesen sein. Diese Voraussetzung fehle jedenfalls ab der Sachwalterbestellung; für die Zeit davor habe das Erstgericht zu prüfen, ob die Erblasserin in der Lage gewesen sei, die Erwartungen der Klägerin zu erkennen.
Der Oberste Gerichtshof teilte diese Rechtsansicht nicht: Pflegeleistungen sind zwar im Allgemeinen nur dann abzugelten, wenn die gepflegte Person erkennen kann, dass die Pflege in Erwartung einer späteren Gegenleistung erfolgte. Das trifft im Regelfall zu, wenn die Pflege – wie hier – im zeitlichen Zusammenhang mit einer Erbeinsetzung aufgenommen wurde. Wenn aber die gepflegte Person geistig nicht mehr in der Lage war, die Erwartungen der pflegenden Person zu erkennen, kommt es allein auf den objektiven Nutzen an, den sie aufgrund der Leistungen hatte. Ein Anspruch besteht, soweit sich die gepflegte Person Kosten für professionelle Leistungen ersparte. Diese Frage ist im fortgesetzten Verfahren vom Erstgericht zu prüfen.