Pflichtverletzung des Rechtsanwalts durch Versäumung der Jahresfrist für den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Vermögens ab Rechtskraft des Ausspruchs der Scheidung
Im Schadenersatzprozess ist für die Frage des zu ersetzenden Schadens an die vorgeworfene Pflichtverletzung anzuknüpfen. Der Geschädigte muss die konkrete Pflichtverletzung behaupten und beweisen. Aus dem Vorwurf des verspäteten Aufteilungsantrags ergibt sich nicht automatisch der Vorwurf der Nichtberücksichtigung einer Erbschaft.
Im Juni 2008 brachte der Kläger, der vom beklagten Rechtsanwalt vertreten wurde, die Scheidungsklage gegen seine Ehegattin ein. Mit Urteil vom 17.9.2009 wurde die Ehe aus gleichteiligem Verschulden beider Ehegatten geschieden. Der Scheidungsausspruch erwuchs in Rechtskraft. Die Ehegattin erhob nur gegen die Verschuldensteilung Berufung. Mit Urteil des Berufungsgerichts vom 26.11.2009 wurde dem Kläger das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe angelastet.
Mit Beschluss vom 25.2.2010 wurde dem Kläger die Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrags auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens bewilligt. Der Aufteilungsantrag wurde vom beklagten Rechtsanwalt in Vertretung des Klägers schließlich am 23.12.2010 eingebracht. Dieser Antrag wurde vom zuständigen Bezirksgericht wegen Versäumung der Jahresfrist (§ 95 EheG) als verspätet abgewiesen. Der Beklagte hatte übersehen, dass die Jahresfrist bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs und nicht erst mit rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens beginnt.
Der Kläger begehrte vom beklagten Rechtsvertreter Schadenersatz in Höhe des verlorenen Aufteilungsanspruchs. Die die Ehewohnung betreffende Liegenschaft falle nicht in die Aufteilungsmasse, weil die Liegenschaft von seiner früheren Ehegattin eingebracht worden sei. Der Aufteilung unterliege aber der Wertzuwachs der Liegenschaft in Höhe von 62.000 EUR, der auf seine Investitionen in Form von Vermögen und Arbeitsleistungen zurückzuführen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht sprach dem Kläger hingegen nur die Hälfte des Wertsteigerungsbetrags zu.
Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung und führte aus, dass Wertsteigerungen einer von einem Ehegatten eingebrachten bzw geerbten Ehewohnung durch Investitionen während der ehelichen Lebensgemeinschaft bei der Aufteilung angemessen zu berücksichtigen sind. Die Ermittlung des fiktiven Aufteilungsanspruchs sowie des Aufteilungsschlüssels hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Warum die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von einer Aufteilung der Beiträge der Ehegatten im Verhältnis 1:1 ausgeht, nicht der Billigkeit entsprechen soll, vermag der Kläger nicht zu begründen. Vielmehr ist er im vorliegenden Schadenersatzverfahren selbst von einer Gewichtung der Beiträge der Ehegatten zur Schaffung des ehelichen Vermögens zu gleichen Teilen ausgegangen.
Das Vorbringen des Klägers, dass er die finanziellen Mittel für die Investitionen geerbt habe, weshalb ihm der Wertzuwachs der Liegenschaft im Rahmen eines Vorwegabzugs allein zukomme, kann keine Berücksichtigung finden. Ungeachtet der Frage, ob die mit geerbtem Geld angeschafften Werte im Ehevermögen abgrenzbar oder dafür gewidmet sind, kann im Schadenersatzprozess für die Frage des zu ersetzenden Schadens nur an die vorgeworfene Pflichtverletzung angeknüpft werden. Auch im Rahmen der Anwaltshaftung muss die Pflichtverletzung sowie der Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und schadensbegründendem Prozessverlust vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden. Die dem Beklagten von den Vorinstanzen angelastete Pflichtverletzung besteht in der verspäteten Einbringung des Aufteilungsantrags. Zur Darlegung einer die Erbschaft des Klägers betreffenden erweiterten Pflichtverletzung hätte sich dieser darauf berufen müssen, dass sich der Beklagte als pflichtgemäßer Rechtsanwalt in Vorbereitung des Aufteilungsantrags trotz der erfolgten Beratung und der mit dem Kläger geführten Gespräche nach einer allfälligen Erbschaft hätte erkundigen müssen. Dazu hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren allerdings kein Vorbringen erstattet.