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Risikoverteilung beim Betrug mit E-Mail-Spoofing

 
 

Geldschulden sind grundsätzlich eine Bringschuld. Der Gläubiger trägt eine erhöhte Gefahr des Geldtransfers nur dann, wenn er selbst nach Entstehung der Schuld seinen Sitz bzw seine Niederlassung oder seine Bankverbindung geändert hat.

Die Beklagte, eine österreichische GmbH, schuldet der Klägerin, einem französischen Unternehmen, den Kaufpreis für die Lieferung von Metallspänen. Das Vertragsverhältnis unterliegt österreichischem Recht.
Die Rechnungen der Klägerin wiesen deren korrekte Kontonummer bei einer französischen Bank auf. Nachdem ein erster Versuch der Beklagten, den Betrag zu überweisen, mit einer Fehlermeldung quittiert wurde, erhielt sie ein scheinbar von der Sachbearbeiterin der Klägerin stammendes, tatsächlich aber von unbekannten Dritten gefälschtes E-Mail mit der Aufforderung, die Summe auf ein anderes Konto einer anderen Bank einzuzahlen. Nach mehrfachem E-Mail-Wechsel mit dem Fake-Absender nahm die Beklagte schließlich die Überweisung auf das Betrügerkonto vor.

Die Klägerin begehrte die Zahlung der offenen Rechnung. Die Beklagte wandte ein, sie habe mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt, weil die Klägerin keine Vorsichtsmaßnahmen zur Wahrung der Sicherheit ihres E-Mailservers getroffen und dadurch den Betrügern fahrlässig ermöglicht habe, die manipulierten E-Mails zu versenden.

Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten keine Folge und führte unter anderem aus:

Nach § 907a Abs 1 Satz 1 ABGB ist eine Geldschuld am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen. Haben sich nach der Entstehung der Forderung der Wohnsitz oder die Niederlassung des Gläubigers oder dessen Bankverbindung geändert, so trägt nach Abs 1 Satz 2 der Vorschrift der Gläubiger eine dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten für die Erfüllung.
Eine Änderung der Bankverbindung im Sinn dieser Gesetzesstelle kommt nur in Betracht, wenn der Gläubiger selbst sie durch aktives Tun vornimmt.
Eine analoge Erweiterung der Gefahrtragung nach § 907a ABGB auf den Fall, dass ein dem Schuldner nicht zurechenbarer Dritter per E-Mail-Spoofing interveniert, ist mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht geboten und kommt selbst im Fall einer Fahrlässigkeit des Gläubigers nicht in Betracht.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 25.03.2025, 00:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/risikoverteilung-beim-betrug-mit-e-mail-spoofing/)

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