Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Schadenersatz für Diskiminierung wegen der Weltanschauung?

 
 

Kritische Äußerungen eines mit Asylangelegenheiten beschäftigten Beamten über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis sind keine „Weltanschauung“ im Sinn des § 13 Abs 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz.

Der Kläger war als Beamter stellvertretender Leiter, die Erstbeklagte die Leiterin einer Außenstelle des Bundesasylamts, deren Vorgesetzter wiederum war der Zweitbeklagte. Der Kläger veröffentlichte ein Buch, in dem er sich an Hand von Fällen, die ihm im Zuge seiner Tätigkeit bekannt wurden, kritisch mit der österreichischen Asylgesetzgebung und -praxis auseinandersetzte. Im Vorwort des Werks distanzierte er sich ausdrücklich von politischen Richtungen wie „rechts“ oder „links“, um gleichzeitig die für seine Funktion erforderliche Objektivität zu betonen.

In der Folge entzog der Zweitbeklagte dem Kläger die Befugnis zur Bescheidapprobation und ordnete an, dass dieser seine Bescheidentwürfe der Erstbeklagten zur Kontrolle und Abzeichnungvorzulegen habe. Diese wies wiederum Schreibkräfte an, keine externen Telefonate mehr an den Kläger durchzustellen, der die Weisung missachtet hatte, Pressekontakte nur nach Absprache mit der zuständigen Pressestelle zu pflegen. Gegen den Kläger wurde sowohl wegen Verstoßes gegen diese Weisung als auch wegen Verletzung der Amtsverschwiegenheit Disziplinaranzeige erstattet. Er wendete sich mit einer Beschwerde wegen angeblicher Diskriminierung wegen seiner Weltanschauung an die Bundes-Gleichbehandlungskommission, die in ihrem Gutachten eine solche Diskriminierung verneinte.

Der Kläger begehrte von beiden Beklagten Schadenersatz nach § 19 Abs 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Diese hätten ihn im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis als Vertreter des Dienstgebers (§ 16 Abs 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz) wegen seiner Weltanschauung, somit aus einem der in § 13 Abs 1 B-GlBG genannten Gründe, belästigt und dadurch diskriminiert.

Der Kläger unterlag mit seinem Begehren in allen Instanzen.

Der Oberste Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass der Oberbegriff der „Weltanschauung“ zwar eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden ist, aber auch als Sammelbezeichnung für andere Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dient. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Eine – wenn auch kritische – Auseinandersetzung mit der derzeitigen Asylgesetzgebung und -praxis erfüllt diese Kriterien noch nicht, sodass schon nach dem Vorbringen des Klägers eine Diskriminierung wegen seiner (welcher?) Weltanschauung ausscheidet.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 13:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schadenersatz-fuer-diskiminierung-wegen-der-weltanschauung/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710