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Schadenersatz für Pflege durch Angehörige

 
 

Reine Anwesenheit einer Aufsichtsperson bei Kindern unter 3 Jahren kein ersatzfähiger Schaden.

Die 2011 geborene Klägerin wurde durch einen Behandlungsfehler während ihrer Geburt geschädigt und wird lebenslang unter einer schweren Behinderung leiden. Die Haftung des beklagten Spitalserhalters ist unstrittig.
Gegenstand des Verfahrens war der Ersatz des Pflegeaufwands der Klägerin während ihrer ersten drei Lebensjahre, fiktiv berechnet nach dem Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte (diplomiertes Pflegepersonal). Tatsächlich wurde die Klägerin ausschließlich von den Eltern und Angehörigen gepflegt.

Im Rechtsmittelverfahren war nur mehr strittig, ob der Mindesttariflohn einer fiktiv beschäftigten Pflegekraft auch Geldersatz für Naturalverpflegung umfasst und ob ein zu den eigentlichen Pflegekosten ein pauschaler Zuschlag dafür gebührt, dass die Eltern die Klägerin sie rund um die Uhr nicht allein zu Hause lassen konnten und auf Freizeitaktivitäten außer Haus verzichten mussten.

Das  Erstgericht gab dem noch strittigen Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten insoweit teilweise Folge, als es das Begehren auf Ersatz fiktiver Naturalbezüge zum Stundenlohn einer Pflegekraft abwies.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück und gab der Revision der Beklagten Folge.

Für die Schadensberechnung bei Angehörigenpflege kommt es auf den objektiven Wert der erbrachten Leistungen an, also die Bruttokosten, die die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch professionelle Kräfte erfordern würde. Der Mindestlohn für Beschäftigte im Haushalt, die nicht in die Hausgemeinschaft aufgenommen wurden (für die aufgenommenen Beschäftigten gilt ein geringerer Geldlohn) umfasst keinen Anspruch auf Naturalbezüge. Eine rein fiktive freiwillige Überzahlung muss der Schädiger nicht ersetzen.

Ein pauschaler Mehrbetrag für die Leistung einer von Angehörigen erbrachten Rufbereitschaft ist dem Geschädigten zu ersetzen, soweit
a) der Angehörige nicht ohnehin zu Hause gewesen wäre, sondern diese Zeit anderswo verbracht hätte,
b) ansonsten in dieser Zeit eine bezahlte Pflegeperson eingesetzt werden hätte müssen, und
c) die Schadenszufügung  ursächlich für das Anwesenheitserfordernis war.

Da Kleinkinder bis zu drei Jahren von verantwortungsbewussten Eltern niemals ganz allein in der Wohnung gelassen werden, fehlt bei der Klägerin die letztere Voraussetzung. Ein Zuschlag für die Rufbereitschaft einer Pflegeperson kommt erst bei älteren Kindern oder Erwachsenen in Frage, die ohne die Folgen des schädigenden Ereignisses keiner Aufsicht mehr bedurft hätten.

Bei der Klägerin war der festgestellte (bezahlte) Pflegeaufwand außerdem so hoch, dass mit der Anerkennung noch weiterer ersatzfähiger Zeiten ein  24-Stunden-Tag insgesamt überschritten worden wäre.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schadenersatz-fuer-pflege-durch-angehoerige/)

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