Schadenersatzpflicht von Abgeordneten
Verpflichten sich Landtagsabgeordnete gegenüber ihrer Partei dazu, auch bei einem Parteiaustritt an der Antragstellung auf Parteienförderung mitzuwirken, ist dies wirksam. Eine Verletzung dieser Verpflichtung führt zur Schadenersatzpflicht gegenüber der Partei.
Eine neugegründete politische Partei errang bei der Tiroler Landtagswahl 2013 vier Mandate, die unter anderem von den drei nunmehr Beklagten ausgeübt wurden. Die einzigen Einnahmequellen der (klagenden) politischen Partei sind die Parteiförderung und die Klubförderung. Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen wird die Parteiförderung – hier mehr als 700.000 EUR pro Jahr – einer „im Landtag vertretenen politischen Partei“ nur gewährt, wenn die Mehrheit der ihr zuzuordnenden Landtagsabgeordneten an der Antragstellung mitwirkt. Nachdem es schon unmittelbar nach der Wahl zu Differenzen zwischen den beiden Lagern innerhalb der Partei gekommen war und es sich – vor allem wegen der unsicheren finanziellen Situation – als schwierig erwies, Personen für die Leitungsorgane der Partei zu finden, kam es Ende 2013 zu einem „Einigungsparteitag“. Dort verpflichteten sich die drei Beklagten schriftlich und unwiderruflich, die Parteiförderung zu beantragen. Sie kamen dieser Zusage allerdings nur für die Jahre 2014 und 2015 nach und verweigerten deren Erfüllung für die Folgejahre, nachdem sie im Februar 2015 aus der Partei ausgetreten waren und eine neue Partei gegründet hatten.
Nachdem alle Bemühungen der Partei, für das Jahr 2016 die Parteiförderung zu erhalten, mangels Mitwirkung der Beklagten erfolglos geblieben waren, begehrte sie von diesen Schadenersatz in Höhe der entgangenen Förderung. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos, wobei die Gerichte in erster Linie die Auffassung vertraten, die ursprünglichen Mandatare seien nach ihrem Austritt der klagenden Partei nicht mehr zuzurechnen; diese sei daher im Landtag nicht mehr vertreten und habe deshalb keinen Anspruch auf Parteiförderung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Klage hingegen statt und setzte sich ausführlich mit dem Gesetzeszweck der einschlägigen Bestimmungen des Tiroler Landesgesetzes auseinander. Er führte aus, dass die Beklagten eine eindeutige Verpflichtung zur Unterstützung der Partei bei der Antragstellung übernommen haben. Auch wenn sie ihre politische Gesinnung geändert haben und aus der Partei ausgetreten sind, ist es ihnen weiter zuzumuten, ihre Zusage zu erfüllen. Ist der Partei durch ihre Weigerung ein (durchaus vorhersehbarer) Schaden entstanden, haben sie diesen zu ersetzen.
Der Schadenseintritt ist zu bejahen, weil sich bei richtiger Gesetzesauslegung ergibt, dass die Partei die entgangene Förderung erhalten hätte, wenn ein formgerechter Antrag gestellt worden wäre. Eine Partei ist dann „im Landtag vertreten“, wenn sie aufgrund ihres Wahlerfolgs zumindest einen Landtagssitz errungen hat. Die Parteiförderung steht ihr dann deshalb – für die gesamte Legislaturperiode – zu, weil durch das Wahlergebnis dokumentiert wurde, dass ihr ausreichende politische Bedeutung im betreffenden Bundesland zukommt. Diese Bedeutung wird (periodisch) am jeweiligen Wahlergebnis gemessen und ändert sich nicht dadurch, dass sich später Abgeordnete von der Partei abwenden.
Schließlich verwarf der Oberste Gerichtshof den Einwand der Beklagten, die von ihnen geforderte Mitwirkung sei rechtlich unmöglich. Er verwies darauf, dass sie lediglich die Verpflichtung übernommen haben, an der gesetzlich vorgesehenen Antragstellung mitzuwirken, was auch nur einen geringen Aufwand erfordert. Es kann sie auch nicht entschuldigen, wenn sie allenfalls der Rechtsansicht gewesen sein sollten, die Partei würde auch bei ihrer Mitwirkung die Förderung nicht erhalten. Gerade weil der Partei ein sehr hoher Schaden gedroht hat, war es auch bei Unklarheit der Rechtslage jedenfalls von ihnen zu verlangen, ihre Zusage einzuhalten und die verlangten Unterschriften zu leisten.