Schockschaden bei aus der Nähe beobachtetem Unfalltod des besten Freundes
Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Ersatz von Schockschäden. .
Der Kläger war am 3. 6. 2021 mit mehreren Freunden auf einer Mopedausfahrt. Einer der Teilnehmer war sein langjähriger bester Freund, mit dem ihn eine „beispiellose, äußerst innige und enge Beziehung“ verband. Wegen eines technischen Problems stellten mehrere Teilnehmer der Gruppe ihre Mopeds neben einer Bundesstraße etwa vier Meter außerhalb der Fahrbahn ab. Der strafrechtlich deswegen verurteilte Erstbeklagte geriet mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW von der Fahrbahn ab und fuhr ungebremst in die Gruppe der Mopedfahrer, wodurch zwei Personen – darunter der beste Freund des Klägers – starben und mehrere weitere schwer verletzt wurden. Der Kläger beobachtete den gesamten Unfallhergang aus der Nähe, er war bei der Kollision 45 bis 50 Meter von der Unfallstelle entfernt. Er war „ein paar Sekunden“ nach dem Unfall bei den Verletzten, versuchte noch erste Hilfe zu leisten, konnte aber den Tod seines besten Freundes noch an der Unfallstelle nicht verhindern. Das Miterleben des Unfalls versetzte den Kläger in einen schockartigen Zustand. Er erlitt eine akute Belastungsreaktion, die in eine posttraumatische Belastungsstörung überging.
Die Vorinstanzen bejahten den Anspruch des Klägers auf Ersatz des begehrten Schockschadens mit Krankheitswert.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Nach Darstellung der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Ersatz des Schockschadens führte der Senat aus, dass der Kläger – trotz der festgestellten, besonders engen Beziehung – nicht als „naher Angehöriger“ seines besten Freundes anzusehen sei. Ihm gebühre daher nicht bereits wegen der Angehörigeneigenschaft Ersatz des Schockschadens.
Allerdings erhalte der Kläger aufgrund seiner qualifiziert unmittelbaren Beteiligung am Verkehrsunfall den von ihm erlittenen Schockschaden mit Krankheitswert ersetzt. Zwar habe die bisherige Rechtsprechung bei fehlender Angehörigeneigenschaft Schockschäden nur in Fällen als ersatzfähig erachtet, in denen der Geschockte ganz unmittelbar in das Unfallgeschehen involviert gewesen sei. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ausschließlich in diesen Fällen ein Schockschadenersatz gebühre. Der Senat formulierte folgenden Rechtssatz:
Die Zuerkennung eines Schockschadenersatzes an Dritte, die nicht als nahe Angehörige anzusehen sind, bedarf eines der rechtlichen Sonderbeziehung gleichwertigen Zurechnungsgrunds. Ein solcher muss nicht zwingend in der ganz unmittelbaren Involviertheit in das Unfallgeschehen (etwa als Unfallgegner oder Beifahrer) oder in der Gefährdung der eigenen körperlichen Sicherheit des Schockgeschädigten durch den Schädiger liegen. Erforderlich ist aber jedenfalls, dass der Dritte bei gebotener wertungsmäßiger Gesamtbetrachtung der Erstschädigung objektiv in gravierender Weise direkt ausgesetzt war („qualifizierte Unfallbeteiligung“).
Ausgehend davon war im zu beurteilenden Fall die Anspruchsberechtigung des Klägers zu bejahen. Der Kläger sei nicht als bloßer unbeteiligter Unfallzeuge anzusehen, sondern Teil der Ausflugsgruppe gewesen. Er habe den besonders schrecklichen Unfall aus räumlicher Nähe zur Gänze mitangesehen, sei „in Sekunden“ am Unfallort gewesen, habe seinen besten Freund zu retten versucht, aber dessen Versterben hautnah miterleben müssen. Insgesamt sei damit bei wertender Betrachtung von einer qualifizierten Beteiligung des Klägers am Unfallgeschehen auszugehen.