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Schutz des Sachersatzinteresses des Mieters im Sachversicherungsvertrag

 
 

Die Auslegung des Sachversicherungsvertrags des Vermieters (hier: Leitungswasserschadenversicherung) kann eine Einbeziehung des Sachersatzinteresses des Mieters in Form eines konkludenten Regressverzichts des Versicherers für Fälle der leichten Fahrlässigkeit ergeben.

Zwischen der Vermieterin des Beklagten und dem klagenden Sachversicherer besteht eine Leitungswasserschadenversicherung, die keinen Regressverzicht der Klägerin zu Gunsten der Mieter enthält. In der Versicherungspolizze ist festgehalten, dass die angeführten Gebäude (Büro-, Geschäfts- und Gastronomiebetrieb, Wohnungen) samt An- und Zubauten zum Neubauwert versichert gelten. Der Beklagte zahlte die Kosten für die Leitungswasserschadenversicherung anteilig im Rahmen der Betriebskostenabrechnung. Er beauftragte einen Professionisten, eine Küche für seine Wohnung zu planen, zu liefern und samt Elektrogeräten einzubauen. Ein Mitarbeiter des – von ersterem beigezogenen – Subunternehmers verursachte bei Anschluss der Armatur an den vorhandenen Speicher schuldhaft einen Wasserschaden. Die Klägerin bezahlte die Kosten für die Sanierung.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 336.535,45 EUR sA. Der Schadenersatzanspruch der Vermieterin sei gemäß § 67 VersVG infolge Zahlung auf sie übergegangen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die Auslegung des Versicherungsvertrags ergebe einen Regressverzicht des Versicherers für – die hier gegebene – leichte Fahrlässigkeit.

Der Oberste Gerichtshof geht nunmehr nach Neubewertung der Frage des Schutzes des Sachersatzinteresses des Mieters im Sachversicherungsvertrag des Vermieters davon aus, dass die Auslegung des Sachversicherungsvertrags nach § 914 ABGB eine Einbeziehung des Sachersatzinteresses des Mieters in Form eines konkludenten Regressverzichts des Versicherers für Fälle der leichten Fahrlässigkeit ergeben kann.

Dabei entscheidet die erkennbare Interessenlage des Eigentümers. Diese ist dadurch geprägt, dass er Auseinandersetzungen mit einem Besitzer, dem er – meist aufgrund eines Vertrags – die Sachherrschaft eingeräumt hat, vermeiden will. Wäre das Sachersatzinteresse des Mieters nicht geschützt, so wäre der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls genötigt, den Versicherer bei der Durchsetzung der auf diesen übergegangenen Ansprüche zu unterstützen, was zu einer erheblichen Belastung des Verhältnisses zum Mieter führen kann. Zudem kann ihm am Schutz des Mieters gelegen sein, weil er die Prämie (anteilig) auf diesen abgewälzt hat. Schließlich ist – vor allem bei Dauerschuldverhältnissen – das Interesse des Eigentümers hervorzuheben, eine Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Sachnutzers durch einen Regress des Versicherers zu vermeiden.

Dem erkennbaren und schützenswerten Interesse des Versicherungsnehmers an einem Regressverzicht wegen leichter Fahrlässigkeit, stehen auch keine solchen Interessen des Versicherers entgegen, die es ihm erlaubten, sich einem Regressverzicht zu entziehen. Der Schutz des Sachersatzinteresses durch Regressverzicht steht auch nicht unter dem Vorbehalt, dass zu Gunsten des Haftpflichtigen keine Haftpflichtversicherung besteht, die den Schaden deckt.

Im vorliegenden Fall war die dargestellte Interessenlage der Vermieterin der Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrags erkennbar. In der Versicherungspolizze war ausdrücklich angeführt, dass es sich bei dem versicherten Gebäude um „Büro-, Geschäfts- und Gastronomiebetrieb, Wohnungen“ und damit um ein „Mietshaus“ handelt. Ein redlicher Erklärungsempfänger durfte daher darauf vertrauen, dass die Klägerin jedenfalls auf Regressansprüche wegen leichter Fahrlässigkeit gegen jene Mieter, auf die ihre Versicherungsnehmerin ihre Prämien (typischerweise – vgl § 21 MRG) überwälzt, verzichtet.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schutz-des-sachersatzinteresses-des-mieters-im-sachversicherungsvertrag/)

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