Staatlich veranlasste Tatprovokation
Ausgleich durch eine ausdrückliche und messbare Strafmilderung.
Der Angeklagte wurde in erster Instanz wegen mehrerer Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt.
In seiner Nichtigkeitsbeschwerde machte er geltend, Opfer staatlich veranlasster Tatprovokation geworden zu sein. Ursprünglich seien keinerlei Verdachtsmomente gegen ihn vorgelegen. Polizisten hätten ihn durch einen verdeckten Ermittler immer wieder zur Tat provoziert. Die Polizei habe dabei den Hintergedanken verfolgt, einen Verwandten des Angeklagten aus seinem Versteck zu locken, jahrelang seine finanzielle Notlage bewusst und gezielt ausgenützt und ihn unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel nach mehreren Jahren dazu gebracht, Taten durchzuführen. Die vorgekommene Tatprovokation sei mit der reformierten StPO nicht in Einklang zu bringen.
Der Oberste Gerichtshof nahm in seiner Entscheidung zur Unzulässigkeit staatlich veranlasster Tatprovokation und zu den Folgen eines solchen unzulässigen Vorgehens für den zur Tat Provozierten klar Stellung:
Liegt eine dem Staat zurechenbare Anstiftung zu einer strafbaren Handlung vor, so ist diese – auch nach der Rechtsprechung des EGMR – unzulässig, wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Tat auch ohne die Intervention der staatlichen Ermittlungsbehörden begangen worden wäre.
Doch hindert Art 6 MRK nicht, dass der Angeklagte im Fall des gesetzlichen Nachweises seiner Schuld (Art 6 Abs 2 MRK) selbst im Fall einer einem staatlichen Organwalter zurechenbaren Tatprovokation dennoch für die Tat verurteilt wird. Denn aus diesem Konventionsverstoß ist weder ein materieller Straflosigkeitsgrund noch ein Verfolgungshindernis für die provozierte Straftat abzuleiten. Allerdings muss das Vorliegen einer Tatprovokation durch Organwalter des Staates bei der Sanktionsfindung angemessen in Rechnung gestellt und ein gerechter Ausgleich dafür gefunden werden, dass der Angeklagte das – dessen ungeachtet – verpönte Verhalten ohne diese Einflussnahme nicht gesetzt hätte. Dabei ist der mit Blick auf die Beseitigung der sogenannten Opfereigenschaft aus Art 34 MRK folgenden Verpflichtung zu entsprechen, die Berücksichtigung einer solchen Tatprovokation durch eine ausdrückliche und messbare Strafmilderung zum Ausdruck zu bringen.
Die jüngste Strafprozessreform führt zu keiner anderen Beurteilung. Demnach ist die auf die unzulässige Tatprovokation entfallende Strafreduktion in den Strafbemessungsgründen zu benennen und zu beziffern.