Trauerschmerzengeld unter erwachsenen Geschwistern nur bei intensiver Gefühlsgemeinschaft
Der 1957 geborene Bruder des zwei Jahre älteren Klägers wurde als Radfahrer bei einem vom alkoholisierten (und fahrerflüchtigen) Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall getötet. Der Getötete hatte an einer angeborenen Behinderung gelitten, lebte bei seiner Mutter und arbeitete in einer Werkstätte der Lebenshilfe. Während er vom Vater, einem weiteren Bruder und der Schwester, die sich seiner schämten, gemieden wurde, kümmerte sich der Kläger intensiv um ihn, erledigte die Behördengänge und sämtlichen Schriftverkehr. Zu diesem Zweck besuchte der Kläger, der bereits mit 18 Jahren aus dem Elternhaus ausgezogen war und ca 2 km entfernt wohnte, seinen Bruder auch zwei- bis dreimal wöchentlich. Hiedurch entwickelte sich zwischen beiden über die Jahre eine intensive fürsorgliche Beziehung, die nahezu einer väterlichen Beziehung gleichkam und über ein durchschnittliches geschwisterliches Verhältnis hinausging. Die Todesnachricht rief über 3 bis 4 Monate eine heftige, aber nicht krankheitswertige Trauerreaktion hervor, wofür der Kläger vom schuldtragenden Lenker und dessen Haftpflichtversicherer € 15.000 begehrte.
Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH gab der Revision des Klägers Folge und sprach ihm ein Schmerzengeld von € 9.000 zu.
Wie bereits in 2 Ob 141/04f (ZVR 2004/86) dargestellt, ist für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld eine intensive Gefühlsgemeinschaft maßgeblich, wie sie zwischen nächsten Angehörigen typischerweise besteht. Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise eine solche Gemeinschaft. Gegenteiliges hätte der Schädiger zu beweisen. Ohne Haushaltsgemeinschaft – etwa im Falle von erwachsenen Geschwistern, die an verschiedenen Orten mit ihren eigenen Familien leben und nur mehr bei gelegentlichen Familienfeiern zusammentreffen – reicht das familiäre Naheverhältnis zwischen Geschwistern für sich allein jedoch nicht aus, um einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld zu begründen. Vielmehr wäre dann vom Geschädigten das Bestehen einer intensiven Gefühlsgemeinschaft, die jener innerhalb der Kernfamilie annähernd entspricht, zu beweisen. Eben dies ist dem Kläger im vorliegenden Fall gelungen: Zwischen ihm und seinem behinderten Bruder bestand eine intensive fürsorgliche Beziehung, die nahezu einer väterlichen Beziehung gleichkam und über ein durchschnittliches geschwisterliches Verhältnis hinausging. Dass sich die Beziehung erst im Laufe der Jahre entwickelte, ändert an ihrem Bestehen nichts. Der Kläger hat daher Anspruch auf Trauerschmerzengeld, das (wiederum im Vergleich zu 2 Ob 141/04f) mit € 9.000 angemessen erscheint.