Überwiegendes Verschulden eines Motorradfahrers, der auf einen aus der Haltestelle abfahrenden Linienbus nicht reagiert
Die Lenker nachkommender Fahrzeuge haben ihre Fahrgeschwindigkeit zu vermindern und, falls erforderlich, anzuhalten, sobald der Lenker eines Linienbusses die Absicht anzeigt, von der Haltestelle abzufahren. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Fahrstreifen sich der nachkommende Lenker nähert.
Der Linienbus befand sich in einer Haltestelle am rechten Fahrbahnrand im Stillstand. Nach dem Fahrgastwechsel betätigte der Buslenker den linken Blinker. Entsprechend der Linienführung musste er kurz nach der Haltestelle nach links abbiegen. Der mit seinem Motorrad in Überholabsicht nachkommende Kläger hätte auf das Losfahren des Busses reagieren können. Statt dessen behielt er zunächst seine Geschwindigkeit von 43 km/h bei. Als der Bus nach links ausgelenkt wurde, kam es zur Kollision.
Das Berufungsgericht teilte das Verschulden im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten des Klägers.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Er betonte, dass sich der an die Lenker nachkommender Fahrzeuge gerichtete Gesetzesbefehl, ihre Fahrgeschwindigkeit zu vermindern und erforderlichenfalls anzuhalten, auf den gesamten – egal in welchem Fahrstreifen – nachfolgenden Fahrzeugverkehr bezieht. Sein Zweck liegt in der Erleichterung des öffentlichen Kraftfahrlinienverkehrs, der es mitunter erfordert, unmittelbar nach einer Haltestelle nach links abzubiegen. Ein nachkommender Lenker darf daher nicht darauf vertrauen, dass ein aus der Haltestelle abfahrender Buslenker mit seinem Blinken lediglich die Absicht anzeigen will, in dem der Haltestelle nächstgelegenen Fahrstreifen geradeaus weiter zu fahren. Der Kläger hätte dem Bus das seiner Linienführung entsprechende Abfahren aus der Haltestelle ermöglichen müssen. Allerdings hätte sich auch der Buslenker (hier) durch einen zusätzlichen Blick in den Rückspiegel davon überzeugen müssen, dass andere Straßenbenützer nicht gefährdet werden.