Unfallversicherung: Unfallfiktion – Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen
Die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an den versicherten Verletzungen führt zu einer Leistungskürzung.
Nach Art 6.2 UB00 gelten auch Verrenkungen von Gliedern sowie Verzerrungen oder Zerreißungen von Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Knorpel sowie Meniskusverletzungen als Unfall. Hinsichtlich krankhaft abnützungsbedingter Einflüsse findet insbesondere Art 21.3 „Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes“ Anwendung. Art 21.3 UB00 enthält eine Regelung zur Leistungskürzung bei mitwirkenden Ursachen. Haben Krankheiten oder Gebrechen, die schon vor dem Unfall bestanden, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Fall der Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu vermindern.
Die Klägerin leidet an einem atypischen Morbus Parkinson. Am 26. 3. 2017 verspürte sie plötzlich einen Stich in der linken Wade und nahm zeitgleich deutlich ein „Schnalzgeräusch“ wahr. Es war zum Auftreten eines Risses der Peroneussehne gekommen. Dieser wurde zu 100% durch die chronischen degenerativen Veränderungen, die bei der Klägerin aufgrund der Gangstörung, des vermehrten Umkippens und der Sturzneigung bestand, verursacht.
Die Vorinstanzen wiesen das auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung gerichtete Begehren ab. Der Riss der Peroneussehne habe zwar nicht beim Unfallereignis selbst mitgewirkt, er sei jedoch ausschließlich – zu 100 % – durch die chronisch degenerativen Veränderungen bei der Klägerin verursacht worden.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidungen.
Art 6.2 UB00 enthält einen erweiterten Unfallbegriff – die sog Unfallfiktion. Die Bestimmung nennt Verletzungen, die für sich gesehen schon einen versicherten Unfall darstellen. Bereits ausgehend von dem in Art 6.2 UB00 ausdrücklich aufgenommenen Hinweis, dass hinsichtlich krankhaft abnützungsbedingter Einflüsse Art 21.3 UB00 Anwendung findet, kann die Bestimmung vom durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur dahin verstanden werden, dass auch die Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen an den versicherten Verletzungen mitzuberücksichtigen ist. Er wird die Bestimmung dahin verstehen, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich auch im Zusammenhang mit den nach Art 6.2 UB00 versicherten Verletzungen zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder eines Abzugs von der Gesamtinvalidität führen.