Unkenntnis des Grundbuchstandes hindert die Ersitzung eines Wohnungseigentumsobjekts nicht
Auch bei der Ersitzung eines Wohnungseigentumsobjekts ist der Ersitzungswerber ohne Verdachtsmomente nicht verpflichtet, sich über den tatsächlichen Grundbuchstand oder den Wohnungseigentumsvertrag Kenntnis zu verschaffen.
Im Jahr 1990 verkaufte der spätere Schuldner ein Wohnungseigentumsobjekt, übergab der Erwerberin aber auch die im Kaufvertrag nicht erwähnte Garage. Im Grundbuch erfolgte nur die Einverleibung des Eigentumsrechts an der Wohnung. In der Folge wurde die Wohnung noch viermal „samt Garage“ veräußert. Alle Verkäufer und Erwerber gingen davon aus, dass die Garage Zubehör der Wohnung sei und mit dem Kauf auch an dieser (Zubehörwohnungs-)Eigentum erworben werde. Alle Erwerber betrachteten sich demgemäß auch als Eigentümer der Garage, nutzen sie exklusiv und bezahlten die ihnen dafür vorgeschriebenen Betriebskosten und Annuitäten. Im Grundbuch ist immer noch der Schuldner als Eigentümer der Garage eingetragen.
Der Kläger begehrte als letzter Erwerber, den Insolvenzverwalter zur Zustimmung zur Einverleibung seines (unter Einrechnung der Zeiten seiner Vorgänger) ersessenen Eigentumsrechts an der Garage zu verpflichten.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Klage hingegen statt. Dass bei keinem Erwerbsvorgang aufgefallen sei, dass die Garage ein eigenes Wohnungseigentumsobjekt sei, überrasche zwar. Gründe, aufgrund derer die Erwerber an der Rechtsmäßigkeit ihres Besitzes zweifeln hätten müssen, lägen aber nicht vor, sodass die unterlassene Einsicht in das Grundbuch und den Wohnungseigentumsvertrag der Ersitzung der Garage nicht entgegenstehe.
Der Oberste Gerichtshof wies die Revision des Beklagten zurück.
Dessen Ansicht, der Ersitzungswerber eines Wohnungseigentumsobjekts müsse stets in das Grundbuch Einsicht nehmen, andernfalls er nicht als redlich angesehen werden könne, widerspricht dem Umstand, dass die Ersitzung grundsätzlich auch gegen den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer möglich ist (Ersitzung „contra tabulas“). Da dies auch für die Ersitzung von Wohnungseigentumsobjekten gilt, besteht eine Verpflichtung, den Grundbuchstand zu erheben oder in den Wohnungseigentumsvertrag Einsicht zu nehmen, nur bei einem (indizierten) Verdacht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen. Zudem ändert die irrtümliche rechtliche Qualifikation der Garage als Zubehör und nicht als Wohnungseigentumsobjekt nichts am Besitzwillen der jeweiligen Erwerber.