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Unlauterkeit wegen Verstoßes gegen AGB: Beklagter kann sich auf Nichtigkeit der AGB berufen

 
 

Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die beklagte Partei sich die klagende Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

Die Klägerin ist eine Energielieferantin, die Privat- und Geschäftskunden Stromprodukte anbietet. Nach ihren Geschäftsbedingungen ist für den Abschluss ihrer Online-Tarife vorausgesetzt, dass der Kunde den Vertrag persönlich und nicht durch einen Stellvertreter abschließt. Die Beklagte bietet auf ihren Webseiten ein automatisches Energieanbieter-Wechselservice für Privatpersonen an. Bei Abschluss eines Online-Vertrags mit der Klägerin wird das Kästchen mit der Erklärung, die persönlichen Daten selbst eingegeben zu haben, von einem Mitarbeiter der Beklagten „wahrheitswidrig“ angeklickt.

Die Klägerin beantragte, der Bekl mittels einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, für Dritte Online Tarife bei der Kl abzuschließen, wenn diese nach den Tarifbedingungen nicht für den Abschluss durch Stellvertreter offenstehen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und stellte die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wieder her. Dazu führte das Höchstgericht aus:

Die Beklagte gibt (durch Anklicken des entsprechenden Kästchens auf den Webseiten der Klägerin) die wahrheitswidrige Erklärung ab, nicht als Stellvertreterin des Kunden zu handeln und täuscht die Klägerin daher über das Vorliegen eines Eigenabschlusses. Demnach wirft die Klägerin der Beklagten das Erschleichen einer Leistung durch Täuschung vor, was an einen Schleichbezug erinnert. Der Bundesgerichtshof gelangte in einem vergleichbaren Fall zum Ergebnis, dass kein Schleichbezug (durch Täuschung) vorliege, wenn die Klägerin nicht schützenswert sei, weil deren einschlägigen AGB nichtig seien. Diese Überlegungen sind auf den Anlassfall übertragbar. Es gilt daher folgender Grundsatz: Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die beklagte Partei sich die klagende Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

Damit ist auch die Frage beantwortet, ob sich die Beklagte auf die Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vertragsklausel berufen kann oder dies wegen bloß relativer Nichtigkeit ausgeschlossen ist. Da sich die geltend gemachte Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten nur daraus ergeben kann, dass sie gegen die in Rede stehende vertragliche Vorgabe der Klägerin verstoßen hat und die Nichtigkeit dieser Klausel daher dem Täuschungsvorwurf die Grundlage entzieht, muss sich die Beklagte im Lauterkeitsprozess darauf auch berufen können. Dabei handelt es sich um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung zur Bestreitung eines angelasteten Vertragsbruchs, die nicht gleichbedeutend mit der rein vertraglichen Beurteilung der absoluten oder relativen Nichtigkeit einer sittenwidrigen Vertragsbestimmung ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich die Beklagte im Lauterkeitsprozess somit auf eine allfällige Nichtigkeit der in Rede stehenden Vertragsklausel über den Ausschluss der Stellvertretung beim Online-Vertragsabschluss berufen.

Im Anlassfall ist somit die gewillkürte Höchstpersönlichkeitsklausel in den AGB der Klägerin an § 879 Abs 3 ABGB zu messen. Bei der Abweichung einer Vertragsklausel von den dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unsachlich und unangemessen ist. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Der hier in Rede stehende Ausschluss der Stellvertretung weicht vom dispositiven Recht ab. Er ist für die Kunden auch nachteilig, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen die Online-Angebote der Klägerin nicht in Anspruch nehmen können, etwa weil sie sich vertreten lassen wollen, das Internet nicht oft und gern nutzen oder zu einer schützenswerten Gruppe gehören. Einen tauglichen Rechtfertigungsgrund vermag die Klägerin nicht ins Treffen zu führen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/unlauterkeit-wegen-verstosses-gegen-agb-beklagter-kann-sich-auf-nichtigkeit-der-agb-berufen/)

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