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Unterhalt: Zeitraum für gleichwertige Betreuung

 
 

Maßgeblich ist bei vereinbarter gleichteiliger Betreuung regelmäßig die tatsächliche Betreuung im jeweiligen Kalenderjahr. Bei der Festsetzung des Unterhalts für die Zukunft ist auf die konkrete Ausübung des Kontaktrechts in einem angemessenen Zeitraum vor der Beschlussfassung erster Instanz abzustellen.

Die Eltern des Zehnjährigen sind verheiratet, leben aber getrennt. Das Kind hat den hauptsächlichen Betreuungsort bei seiner Mutter. Die Eltern vereinbarten zwar grundsätzlich eine 50 : 50 Betreuung, jedoch betreute der Vater seinen Sohn in den Monaten August bis Dezember 2015 nur an 65 (von 153) Tagen, im Jahr 2016 an 159 (von 365) Tagen, im Jahr 2017 an 125 (von 365) Tagen sowie im Jänner 2018 an 14 (von 31) Tagen. Daraus errechnet sich ein Betreuungsverhältnis zwischen Vater und Mutter im Zeitraum August bis Dezember 2015 von 42 zu 58 %, für das Jahr 2016 von 43,5 zu 56,5 %, für 2017 von 34 zu 66 % und für Jänner 2018 von 45 zu 55 %. Durchschnittlich betrachtet beträgt die Betreuungsleistung des Vaters von August 2015 bis Jänner 2018 363 Tage von 914 Tagen; das entspricht einem Betreuungsverhältnis von 39,7 zu 60,3 %.

Der Sohn begehrt von seinem Vater ab Mitte 2015 eine monatliche Unterhaltsleistung von 260 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu einer gestaffelten monatlichen Unterhaltsleistung ab 1. 9. 2015 zwischen 164 EUR und 195 EUR.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass der Vater bei einer durchschnittlichen Betreuungsleistung von August 2015 bis Jänner 2018 von 39,7 % keine gleichwertige Betreuung des Kindes übernommen habe und damit das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ nicht zur Anwendung gelange.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rechtsmittel des Vaters teilweise Folge. Die Anwendung des sogenannten „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“, das auch zu einem Entfall des Geldunterhaltsanspruchs des Kindes führen kann, setzt unter anderem voraus, dass die Betreuungs-  und Naturalleistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils in etwa gleichwertig sind. Ein Betreuungsverhältnis von 3 : 4 wird noch als annähernd gleichwertig beurteilt. Auszugehen ist von den tatsächlichen Betreuungszeiten des Vaters und nicht von den vereinbarten. Für die Beurteilung der gleichteiligen Betreuung ist grundsätzlich auf das jeweilige Kalenderjahr abzustellen und nicht auf einen längeren Durchrechnungszeitraum. Nach den Feststellungen könnte im Jahr 2016 bei einem Betreuungsverhältnis zwischen Vater und Mutter von 43,5 zu 56,5 % ein Wechsel zum „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ erfolgt sein; möglicherweise gilt das auch für das Jahr 2018. Für diese Zeiträume fehlen aber noch aussagekräftige Feststellungen, ob allfällige vom Vater seinem Sohn erbrachte bedarfsorientierte Naturalleistungen ebenfalls gleichwertig waren. Nur dann könnte es zur Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ kommen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/unterhalt-zeitraum-fuer-gleichwertige-betreuung/)

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