Unterhaltsvorschuss für ukrainische Kinder?
Personen, die nach der Massenzustrom-Richtlinie bzw der diese in Österreich umsetzenden Vertriebenen-Verordnung vorübergehenden Schutz in Österreich genießen, zählen zu dem von § 2 Abs 1 UVG erfassten Personenkreis und haben daher bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse.
Der 12-jägrige Antragsteller flüchtete mit seiner Mutter kurz vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine nach Österreich, kehrte aber im September 2022 wieder dorthin zurück und besuchte dort die Schule. Da sich die (Sicherheits-)Lage in der Ukraine verschlechterte, flohen die Mutter und das Kind im Juni 2023 (nach dem Ende des Schuljahres) erneut nach Österreich, wo sie seither leben. Der von der Mutter und dem Kind getrennt lebende Vater ist ebenfalls in Österreich aufhältig. Er geht in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach, leistet seinem Kind aber keinen Unterhalt.
Das Erstgericht gewährte dem Kind bis Ende März 2029 monatliche Unterhaltsvorschüsse. Ob dem Kind oder der Mutter der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zukommt, prüfte es nicht.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei offenkundig, dass die Lage in der Ukraine im gesamten Staatsgebiet volatil und unberechenbar sei, im ganzen Land Raketen- und Luftangriffe stattfänden, von denen auch Wohngegenden nicht ausgeschlossen seien, und Russland schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung begehe. Angesichts dessen sei davon auszugehen, dass das Kind im Fall seiner Rückkehr in die Ukraine mit hoher Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Bedrohung seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre und Gefahr liefe, existenzielle Bedürfnisse nicht decken zu können. Die Lage des Kindes entspreche insofern daher jener von subsidiär Schutzberechtigten, sodass es Anspruch auf Unterhaltsvorschuss habe.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte im Ergebnis diese Rechtsansicht. Neben österreichischen Staatsbürgern haben nur Staatenlose, Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Schutzberechtigte Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse. Obwohl das Kind unter keine dieser Kategorien fällt, weil es weder staatenlos ist, noch der Krieg in der Ukraine für sich allein geeignet ist, Fluchtgründe im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu begründen, sind ihm Unterhaltsvorschüsse zu gewähren. Das ergibt sich aus den europarechtlichen Vorgaben der Massenzustrom-Richtlinie (iVm dem Beschluss des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine), die Österreich verpflichten, den aus der Ukraine Vertriebenen ein adäquates Schutzniveau unter anderem durch Gewährung von Sozialleistungen zu bieten. Da darunter auch Unterhaltsvorschüsse fallen, muss das UVG (richtlinienkonform) dahin ausgelegt werden, dass auch aus der Ukraine Vertriebene in Bezug auf die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse hängt hier somit nicht davon ab, ob dem Kind oder einem seiner Eltern (zusätzlich) der Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zukommt.