Unterlassungsanspruch gegen das Herabwerfen von Gegenständen von einer Aussichtsplattform
Dem Unterlassungsanspruch des Nachbarn nach § 364 ABGB gegen das Herabwerfen von Gegenständen von einer der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Aussichtsplattform kann kein „Gemeingebrauch“ iSd §§ 287 ABGB entgegenhalten werden.
Die Klägerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin eines Grundstücks, an das die Liegenschaft der beklagten Stadt, auf der sich eine frei zugängliche Aussichtsplattform und ein Cafe befinden, angrenzt. Zumindest seit 2009 kommt es immer wieder vor, dass Personen – teils versehentlich, teils absichtlich – von der Aussichtsplattform Gegenstände wie etwa Handys, Spielsachen, Kleidungsstücke oder Müll (leere Bierflaschen, Zigarettenstummel etc) auf die darunterliegenden angrenzenden Grundstücke der Klägerin fallen lassen. Die Aussichtsplattform wird seit 1899 in Fremdenführern genannt und von Touristen und Einheimischen genutzt. Sie steht unter Denkmalschutz. Veränderungen, wie etwa die Errichtung von Glasbarrieren oder das Spannen von Fangnetzen, werden vom Bundesdenkmalamt nicht genehmigt.
Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, durch geeignete Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass vom Grundstück der Beklagten von Benutzern keine Gegenstände auf die Grundstücke der Kläger geworfen werden. Die Beklagte wendete ein, es bestehe ein nicht einschränkbarer Gemeingebrauch. Sie stehe mit allfälligen Störern in keinem Rechtsverhältnis und könne Störungshandlungen nicht verhindern.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Unterlassungsbegehren statt. Dazu hielt er fest, dass jeder Eigentümer eines Grundstückes nach § 364 Abs 2 ABGB dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen untersagen kann, soweit sie das ortsübliche Maß überschreiten; eine unmittelbare Zuleitung ist aber jedenfalls unzulässig. Den Nachbarn trifft als Reflex seiner Unterlassungspflicht auch eine Hinderungspflicht im Hinblick auf Störungen Dritter. Verursacht ein anderer die Störung, so wird die Haftung des Nachbarn dann als gerechtfertigt erachtet, wenn er die Einwirkung duldet, obwohl er sie hätte verhindern können.
Beim Gemeingebrauch an privaten Liegenschaften ist zwischen öffentlich-rechtlichem Gemeingebrauch und den privatrechtlichen Dienstbarkeiten zu unterscheiden ist. Die „echten“ Dienstbarkeiten beruhen auf einem privatrechtlichen Titel, sodass keine Dienstbarkeit vorliegt, wenn der Eigentümer bestimmte Eingriffe ex lege oder kraft öffentlich-rechtlicher Bestimmung im Rahmen des Gemeingebrauchs dulden muss. Da im Anlassfall weder eine öffentlich-rechtliche Vorschrift (Gesetz, Verordnung, Bescheid) besteht, die die beklagte Stadt binden würde, noch eine von einer Gruppe von Benützenden zur Verfolgung eines konkreten Verkehrsbedürfnisses erworbene private Dienstbarkeit ersichtlich ist, besteht der Unterlassungsanspruch der Klägerin zu Recht.