„Veröffentlichungspflicht“ des ORF bei Rufschädigung
Erfolgten ehrverletzende oder rufschädigende Äußerungen in einem vom ORF ausgestrahlten Interview im Mittagsjournal und wird der Verletzer gerichtlich zu deren Widerruf verpflichtet, besteht ein Anspruch des Verletzten gegenüber dem ORF, dass der Widerruf in einer nachfolgenden Sendung des Mittagsjournals veröffentlicht wird.
Im Juni 2010 strahlte der ORF im Rahmen des Mittagsjournals in Radio Niederösterreich ein Interview mit dem damaligen Landesgeschäftsführer einer politischen Partei aus, in welchem es um das Glücksspielgesetz ging. Die Klägerin sah in diesen Aussagen eine Rufschädigung und klagte den Politiker, der daraufhin gemäß § 1330 ABGB zum Widerruf bestimmter Äußerungen und zu dessen Veröffentlichung in Radio Niederösterreich verurteilt wurde. In weiterer Folge weigerte sich der ORF sowohl gegenüber dem Politiker als auch gegenüber der Klägerin zur Veröffentlichung des Widerrufs.
Das Erstgericht verpflichtete den ORF zur Veröffentlichung in Frist und Form des § 13 MedienG, also im Mittagsjournal. Das Berufungsgericht sah keine gesetzliche Grundlage für eine derartige Veröffentlichungspflicht des ORF und wies die Klage ab.
Der Oberste Gerichtshof stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her.
Er führte aus, der ORF sei zur Veröffentlichung des Widerrufs im Mittagsjournal in Radio Niederösterreich verpflichtet, weil die inkriminierten Äußerungen in einer dieser Sendungen erfolgten und es dem dem ORF gesetzlich auferlegten Objektivitätsgebot widersprechen würde, könnten weder der Verletzer (der Politiker) noch der Verletzte (die Klägerin) durchsetzen, dass der die Ehre oder den guten Ruf des Verletzten wieder herstellende Widerruf des Verletzers vom ORF auch tatsächlich in äquivalenter Weise gesendet wird.