Verwendung einer fremden Bildmarke in einer virtuellen „Geldbörse“
Im Allgemeinen erlaubt § 10 Abs 3 Z 3 MSchG – als Schutzschranke – einen verweisenden Markengebrauch vor allem als erforderliche Bestimmungsangabe, das heißt als Verweis auf eine besondere Zusatzfunktion der eigenen Ware oder Dienstleistung, zB als Zubehör bzw Ersatzteil oder als Service- bzw Zusatzdienstleistung für das gekennzeichnete Produkt des Markeninhabers, sofern keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sowie keine unlautere Geschäftspraktik vorliegt.
Die Klägerin ist eine GmbH, die ein händler- und branchenübergreifendes Multipartnerprogramm unter dem Namen „Jö-Bonusclub“ betreibt und zu diesem Zweck Jö-Kundenkarten ausgibt. Sie ist Markeninhaberin österr. Wortmarken und Wort-Bild-Marken. Die Beklagte, eine deutsche GmbH, betreibt eine Smartphone-App. In dieser App können Nutzer ihre Kundenkarten verschiedener Anbieter speichern und verwalten und über ihr Smartphone verwenden. In der App kann die jeweilige virtuelle Kundenkarte aufgerufen werden. Zur Auswahl der vom Nutzer anzulegenden Kundenkarten verwendet die Beklagte in der App eine Auflistung der verfügbaren Unternehmen, die in der Regel unter Abbildung ihrer Marke dargestellt werden. Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten verboten werden soll, die Klagsmarken und/oder ähnliche Zeichen innerhalb ihrer App als Hinweis für die angebotenen Mobile-Wallet-Dienste zu benutzen.
Die Vorinstanzen erließen die beantragte einstweilige Verfügung.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Dazu führte das Höchstgerichts aus:
Nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware oder einer Dienstleistung, beispielsweise als Zubehör oder Ersatzteil, erforderlich ist, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entspricht.
Diese leicht modifizierte Neuformulierung geht auf die Markenrechtsnovelle 2018 zurück. Der „insbesondere-Hinweis“ ist nunmehr eine Hervorhebung der Bestimmungsangabe als Musterbeispiel für einen verweisenden Markengebrauch. Dementsprechend muss ein solcher Markengebrauch in seiner Art und Weise sowie in seinem Ausmaß weiterhin „erforderlich“ sein. Der Umformulierung kann aber dennoch das Bestreben einer gewissen Öffnung des Ausnahmetatbestands dahin entnommen werden, dass der zulässige verweisende Markengebrauch nicht unbedingt auf das praktisch einzige bzw alternativlose Mittel zur verständlichen und vollständigen Information des Publikums eingeschränkt werden muss.
Außerdem geht aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens dann nicht widersprechen kann, wenn diese Benutzung keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke sei beeinträchtigt, wenn für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer nicht oder nur schwer zu erkennen sei, ob die bezeichneten bzw beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbunden Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammten. Die Werbefunktion der Marke sei beeinträchtigt, wenn der Markeninhaber in seiner Möglichkeit, die Marke als Element der Verkaufsförderung oder Instrument der Handelsstrategie einzusetzen, nachteilig beeinflusst werde.
Im letzten Satz des § 10 Abs 3 MSchG findet sich noch eine Schranken-Schranke. Danach besteht die Duldungspflicht des Markeninhabers nur für solche Benutzungshandlungen, die den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entsprechen. Diese Wendung nimmt auf lautere Geschäftspraktiken bzw lautere Mittel Bezug (4 Ob 77/19f).
Zusammenfassend erlaubt § 10 Abs 3 Z 3 MSchG – als Schutzschranke – somit einen verweisenden Markengebrauch vor allem als erforderliche Bestimmungsangabe, das heißt als Verweis auf eine besondere Zusatzfunktion der eigenen Ware oder Dienstleistung, zB als Zubehör bzw Ersatzteil oder als Service- bzw Zusatzdienstleistung für das gekennzeichnete Produkt des Markeninhabers, sofern keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sowie keine unlautere Geschäftspraktik vorliegt.
Im Anlassfall ist die Einbindung der Jö-Kundenkarte in die App der Beklagten unter Verwendung der Wort-Bild-Marken der Klägerin zur Auswahl der Jö-Kundenkarte aus einer Vielzahl von anderen Kundenkarten ein Verweis auf eine Zusatzdienstleistung der Beklagten und damit eine Bestimmungsangabe im Sinn des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG, die in der konkreten Ausgestaltung zulässig ist und keine unlautere Geschäftspraktik begründet.