Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Pauschalreise-Richtlinie

 
 

Fragen zur Auslegung des Unionsrechts bei der Prüfung der Berechtigung des Rücktritts von einer im März 2020 stattfindenden Pauschalreise in den Oman wegen Covid-19.

Die beiden Kläger hatten ursprünglich eine Ostasien-Schiffskreuzfahrt gebucht, die von der Reiseveranstalterin am 14. 2. 2020 mit der Begründung, dass sich in Ostasien das Covid‑19‑Virus ausbreite, abgesagt wurde. Die Kläger suchten hierauf im Internet nach möglichen Reisedestinationen, die vom Corona‑Virus noch nicht betroffen waren. Sie überprüften, wo das Virus noch nicht grassierte, und überlegten, wohin es sich voraussichtlich nicht ausbreiten werde. Nach diesen Überlegungen buchten sie am 15. 2. 2020 bei der Beklagten eine Pauschalreise in den Oman vom 6. bis 19. 3. 2020.

Am 24. 2. 2020 wurden erstmals zwei Covid‑19‑Fälle im Oman bestätigt. Als die Kläger am 25. 2. 2020 hiervon erfuhren, traten sie noch am selben Tag von der Reise zurück, um eine Ansteckung mit dem Corona‑Virus auf der geplanten Reise zu vermeiden. Ob es eine Reisewarnung vom österreichischen Außenministerium für den Oman gab, hatten sie nicht geprüft; eine solche bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Covid‑19 wurde noch während der geplanten Reise von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft.

Die Beklagte behielt vom gezahlten Reisepreis einen Teil mit der Begründung ein, den Klägern wäre kein kostenfreier Reiserücktritt möglich.

Die Kläger begehren mir ihrer Klage die Rückzahlung des einbehaltenen Betrags. Zum Zeitpunkt der Buchung hätten sie selbst sowie auch die Beklagte davon ausgehen können, dass es sich beim Oman um ein sicheres Reiseziel handle. Es seien damals noch keine Fälle von Covid‑19 im Oman bekannt gewesen. Covid‑19 habe sich damals auf die Kontinentalmasse des asiatischen Kontinents beschränkt, von der die arabische Halbinsel weitgehend isoliert sei. Erst am 24. oder 25. 2. 2020 seien die ersten Fälle von Covid‑19 im Oman bekannt geworden, Anfang März 2020 habe sich die Zahl der Infizierten aber bereits auf 2.300 erhöht gehabt.

Die Beklagte tritt einer Anwendung der Bestimmung des Pauschalreisegesetzes über einen „kostenfreien Rücktritt“, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, entgegen. Sie argumentiert zum einen damit, dass die Kläger bereits in bewusster Übernahme des Covid‑19‑Risikos die Reise gebucht hätten, zum anderen damit, dass im Zeitpunkt des Rücktritts keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine erhebliche Beeinträchtigung der Durchführung der Pauschalreise vorgelegen hätten.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das tatsächliche Geschehen nach dem Reiserücktritt hielten sie für irrelevant, weshalb sie insofern weitestgehend keine Feststellungen trafen.

Der Oberste Gerichtshof nahm die Revision zum Anlass, ein Ersuchen auf Vorabentscheidung an den EuGH zu stellen.

Der Oberste Gerichtshof ersuchte den EuGH um Klärung, ob die Pauschalreise-Richtlinie dahingehend auszulegen ist, dass für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts nur jene unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind, oder dahingehend, dass auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplant gewesenen Beginn der Reise (= spätest möglicher Rücktrittszeitpunkt) sodann tatsächlich auftreten.

Für den Fall, dass ersteres zutrifft, wird der EuGH gefragt, ob die Richtlinie dahingehend auszulegen ist, dass sich der Reisende in der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Berechtigung seines Rücktritts auch auf solche unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände berufen kann, die im Zeitpunkt seines Rücktritts bereits aufgetreten, ihm aber erst später bekannt geworden sind.

Schließlich wird um Klärung ersucht, ob die Richtlinie dahingehend auszulegen ist, dass ein kostenfreies Rücktrittsrecht dann nicht zusteht, wenn die Umstände, auf die sich der Reisende stützt, bei der Buchung bereits vorgelegen haben und dem Reisenden bekannt waren.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/vorabentscheidungsersuchen-an-den-gerichtshof-der-europaeischen-union-zur-pauschalreise-richtlinie/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710