Weite Grenzen zulässiger Kritik bei gesellschaftspolitischen Aussagen
Der (auch durch „Schockbilder“ belegte) Hinweis, dass der Lebensmitteleinzelhändler durch den (überwiegenden) Verkauf von Schweinefleisch aus Vollspaltenbodenhaltung einen (wesentlichen) Beitrag zu vermehrtem Tierleid leistet, ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Die klagende Lebensmitteleinzelhandelsgesellschaft nahm den beklagten Tierschutz-Verein ua auf Unterlassung der Verbreitung von Flyern, Fotos und Berichten über Missstände in der Schweinehaltung in Anspruch, in denen behauptet wird, dass die Klägerin für derartige Missstände verantwortlich sei bzw einer der größten Bremser in Richtung verbesserter Tierhaltung sei und den Konsument:innen Fleisch von Schweinen aus tierquälerischer Intensivtierhaltung mit Vollspaltenböden aufzwinge. Die Klägerin setze sich vielmehr für mehr Tierwohl ein und verkaufe auch Schweinefleisch im Rahmen von Tierwohlprojekten.
Die Vorinstanzen erließen die beantragte einstweilige Verfügung.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Sicherungsverfügung nur insoweit, als er das Verbot aufrecht hielt, wonach der Beklagten verboten wurde zu behaupten, die Klägerin zwinge den Konsument:innen Fleisch von Schweinen aus tierquälerischer Haltung auf und die Klägerin sei von allen Supermarktketten am allerwenigsten bereit, den Ausstieg der österreichischen Schweinebranche aus der Haltung auf Vollspaltenboden zu unterstützen, zumal diesbezüglich unrichtige Tatsachenbehauptungen seitens der Beklagten vorlagen.
Er wies den Antrag jedoch insoweit ab, als der Beklagten auch verboten werden sollte, allgemein zu behaupten, dass die Klägerin für die Missstände verantwortlich sei, zumal es die Klägerin, die über eine bedeutende Marktmacht verfügt, in der Hand hätte, vermehrt jene Produkte anzubieten, die nach höheren Tierwohlstandards erzeugt werden. Sie leistet daher durch den (überwiegenden) Verkauf von Schweinefleisch aus Vollspaltenbodenhaltung einen (wesentlichen) Beitrag zu vermehrtem Tierleid, auch wenn sie selbst keine Tiere quält.
Im Sinne des Rechts auf freie Meinungsäußerung besteht somit ein ausreichendes Tatsachensubstrat für das Werturteil der Beklagten, die Klägerin trage eine Verantwortung für diese Umstände. Auch die gewählte Form der Darstellung durch „Schockbilder“ ändert daran nichts, da die Meinungsfreiheit auch schockierende Äußerungen schützt.