Weitere Aspekte des „Spätrücktritts“ vom Versicherungsvertrag
Ob Zinsen für die zurückzuzahlenden Prämien nach drei Jahren ab dem Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung verjähren, hängt davon ab, ob eine solche Verjährung den Versicherungsnehmer daran hinderte, von einem Vertrag zurückzutreten, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht seinen Bedürfnissen entsprach.
Der Kläger unterfertigte am 10. Dezember 2002 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung auf 35 Jahre ab 1. Februar 2003. Bei Antragstellung belehrte die Beklagte den Kläger fehlerhaft über sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG, indem es dieses an im Gesetz nicht vorgesehene Bedingungen knüpfte. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag und erhielt den Rückkaufswert ausbezahlt. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag.
Der Versicherungsnehmer begehrte die von ihm gezahlten Prämien (ursprünglich einschließlich Versicherungssteuer) abzüglich der Risikokosten (Entgelt für den Risikoschutz) und des Auszahlungsbetrags, zuzüglich (teils kapitalisierter) Zinsen sowie Zinseszinsen.
Der Oberste Gerichtshof hob die der Klage teilweise (auf Zahlung der Nettoprämien samt kapitalisierten Zinsen und Zinsen sowie Zinseszinsen) stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auf.
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, C 355/18 bis C 357/18 und C 479/18, Rust-Hackner, betreffend den Spätrücktritt von Lebensversicherungsverträgen wegen mangelhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht gilt, dass
– Zinsen für die zur Gänze zurückzuzahlenden Prämien nach innerstaatlichem Recht grundsätzlich nach drei Jahren ab dem Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung verjähren, und mehr als drei Jahre vor der Klagseinbringung rückständige Vergütungszinsen verjährt sind;
– aber aus unionsrechtlicher Sicht noch zu prüfen ist, ob eine solche Verjährung den Versicherungsnehmer daran hinderte, von einem Vertrag zurückzutreten, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht seinen Bedürfnissen entsprach.