Wrongful Birth
Wird im Rahmen pränataler Diagnostik (Organscreening) ein Hinweis auf einer Meningomyelozele nicht entdeckt und unterbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren trotz fehlender Einsehbarkeit diagnoserelevanter Strukturen, liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch (§ 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB) zu Letzterem entschlossen, so haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind.
Die Kläger (Eltern) begehrten von der Beklagten (Betreiberin der Risikoambulanz des LKH) den Ersatz des gesamten Unterhaltsaufwands für ihr behindertes Kind, weil in der Risikoambulanz trotz bestehender Zweifel am Vorliegen eines unauffälligen Befundes keine weiteren Untersuchungen erfolgt seien.
Die Beklagte wandte ein, es seien alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt worden, um das pränatale Risiko abzuschätzen. Das Kind der Kläger sei ein Wunschkind gewesen, weshalb ein allfälliger Schaden – wenn überhaupt – nur im erhöhten Unterhaltsbedarf bestehen könne.
Der OGH bejahte das Vorliegen eines ärztlichen Kunstfehlers im Rahmen pränataler Diagnostik und verpflichtete den Rechtsträger des LKH zum Ersatz des gesamten Unterhaltsaufwands für das behinderte Kind. Nach Ansicht des erkennenden Senats stünde in einem solchen Fall sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.