Zum Unfallbegriff nach dem Montrealer Übereinkommen
Wird ein Fluggast durch heißen Kaffee verletzt und anschließend an Bord unzureichend medizinisch erstversorgt, liegt ein einheitlicher Unfall im Sinne Artikel 17 Montrealer Übereinkommen vor. Eine darauf gestützte Klage muss binnen einer Frist von zwei Jahren erhoben werden.
Auf einem am 18. 12. 2016 vom beklagten Flugunternehmen durchgeführten Flug von Tel Aviv nach Wien fiel eine Kanne von einem Servierwagen, der durch die Sitzreihen manövriert worden war. Dadurch wurde der Kläger mit heißem Kaffee verbrüht.
Der Kläger begehrt mit seiner am 31. 5. 2019 eingebrachten Klage Zahlung von 10.196 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfallereignis. Er habe schwere Verbrennungen erlitten. Die Beklagte hafte für das fahrlässige Verhalten ihres Personals, und zwar nicht nur für die den Unfall auslösende Unachtsamkeit, sondern auch für die unzureichende Erstversorgung seiner Verletzungen.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht verwies darauf, dass sowohl der auf die Verletzungen durch den Kaffee als auch durch die Erstversorgung behauptete Schaden des Klägers infolge der zweijährigen Ausschlussfrist des Artikel 35 Montrealer Übereinkommen verfristet sei.
In seiner dagegen erhobenen Revision vertrat der Kläger den Standpunkt, dass die mangelnde Erstversorgung als separates Schadensereignis zu werten, vom Unfallgeschehen getrennt zu betrachten und vom Montrealer Übereinkommen nicht umfasst sei, sodass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zur Anwendung komme.
Der Oberste Gerichtshof ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ua zur Auslegung des Begriffs „Unfall“ nach dem Montrealer Übereinkommen.
Der EuGH entschied mit Urteil vom 6. 7. 2023, C-510/21, DB/Austrian Airlines, dass die unzureichende medizinische Erstversorgung eines Reisenden an Bord eines Luftfahrzeugs, die zu einer Verschlimmerung der durch einen ‚Unfall‘ verursachten Körperverletzung geführt hat, als Teil dieses Unfalls anzusehen ist.
Daran anknüpfend ging der Oberste Gerichtshof im Anlassfall davon aus, dass die Verbrühung des Klägers mit Kaffee und dessen daran anschließende unzureichende medizinische Erstversorgung an Bord des Luftfahrzeuges als einheitliches Geschehen unter den Unfallbegriff des Montrealer Übereinkommen fällt. Die darauf gestützte Klage wurde erst nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist erhoben, sodass die Abweisung zu bestätigen war.